Streiflichter

Die Autorin Christa Enderle, geboren am 8. November 1946 in Riedlingen/Donau als ältestes Kind von Paul und Annemarie Enderle, stammt aus einfachen Verhältnissen, einem Arbeiterhaushalt mit bürgerlichen und christlichen Wurzeln. Die Eltern „bienenfleißige Leute, die immer wollten, dass es uns Kindern besser ginge als ihrer Generation in der Jugend“. Christa Enderle wuchs gemeinsam mit vielen Kindern auf der Mühlinsel in Riedlingen auf. 1956 wurde ihr Bruder geboren. Es war zu jener Zeit nicht selbstverständlich, als Kind einfacher Leute nach der Grundschule aufs Gymnasium zu gehen. Vom ersten Schultag an war klar, dass Faulenzen und Schlampereien nicht geduldet wurden. Nach dem Abitur hatte sich Christa Enderle für die Medizin entschieden. Der trockene Kommentar ihres Vaters dazu: „Muss es unbedingt das längste Studium sein?“ Doch er war auch stolz auf seine Tochter. In ihrer Familie war und ist man gläubig, katholisch, versucht den Glauben zu leben. Der Drang nach draußen, Freiheit, Neues erleben, die 68er-Jahre, das Diskutieren über Demokratie, Gerechtigkeit, Gleichheit von Mann und Frau, Freiheit im Denken, prägten die Studienjahre in Tübingen. Soziales Denken und Handeln sowie Mensch- lichkeit sind bis heute Christa Enderles Prinzipien geblieben. „Um als Frau Anerkennung zu finden, war immer, nicht nur meist, doppeltes En- gagement notwendig“, sagt sie: „Die uralte medizinische Ansicht, dass Frauen ein kleineres Gehirn als Männer haben, hielt sich noch lange, manchmal bis heute.“ Ihr frühes soziales Engagement, die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, Menschlichkeit, Gleichheit, für die Menschen da zu sein ohne Unterschiede in Glau- ben, Nationalität, Hautfarbe, führten sie geradezu zwangsläufig zum Roten Kreuz. Nach ihrer Niederlassung als Ärztin in Riedlingen wurde sie 1979 in der Bereitschaft Riedlingen Mitglied beim DRK. Die Grundsätze des Roten Kreuzes sind die wichtigsten Prinzipien ihres Denkens geworden und bis heute geblieben. Ärztin zu sein, macht sie stolz und erfüllt sie am Ende ihrer beruflichen Tätigkeit mit tiefer Befriedigung. Sie sagt: „Ich war Hausärztin mit Leib und Seele.“

Streiflichter der Rotkreuzarbeit im Landkreis Biberach Dr. Christa Enderle Herausgeber DRK-Kreisverband Biberach, 2019 Autorin Dr. Christa Enderle Redaktionelle Unterstützung Gabi Ruf-Sprenger Gestaltung und Herstellung Artdesign Wieland Inhalt Grußwort Peter Schneider, Präsident DRK-Kreisverband Biberach ....................... 9 Vorwort Peter Haug, Geschäftsführer Rotkreuzarbeit DRK-Kreisverband Michael Mutschler, Geschäftsführer Rettungsdienst DRK-Kreisverband ...............11 Vorwort Dr. Christa Enderle ................................................................................... 13 Am Anfang war die Frau ........................................................................................ 14 „Zwischen Hurra und Entsetzen“ – die junge Hilfskrankenschwester Lili Brand hat im Tagebuch ihren Einsatz im Ersten Weltkrieg beschrieben .......................... 17 Henry Dunant ........................................................................................................ 26 Gründungen der Bereitschaften im Landkreis Biberach ........................................ 38 Neuere Gründungen nach dem Zweiten Weltkrieg ............................................... 57 Die Struktur der DRK-Ortsvereine ......................................................................... 62 Der Kreisverband................................................................................................... 65 Der Rettungsdienst ................................................................................................ 72 Sozialarbeit des DRK-Kreisverbandes .................................................................. 80

Tafelläden .............................................................................................................. 82 Ausbau der Sozialarbeit ........................................................................................ 85 Kleiderladen........................................................................................................... 85 Therapiehunde ...................................................................................................... 86 Glücksmomente..................................................................................................... 86 Essen auf Rädern und Hausnotruf ........................................................................ 88 Rotkreuzdose im Kühlschrank ............................................................................... 91 Blutspenden........................................................................................................... 94 Jugendrotkreuz, Schulsanitätsdienst und Juniorhelfer .......................................... 98 Der Weg zum DRK .............................................................................................. 102 Am Rande............................................................................................................ 103 Einmal DRK, immer DRK .................................................................................... 106 Quellennachweis ..................................................................................................111

Grußwort Der Kreisverband Biberach kann heute auf eine lange, herausfordernde, aber auch erfolgreiche Geschichte zurückblicken. Schon 1887 zündete der Funke von Henry Dunants bahnbrechender Idee auch hier bei uns im Landkreis Biberach. Mehr als 130 Jahre sind seitdem vergangen, in denen unzählige Frauen und Männer immer wieder bereit waren, sich freiwillig für die Leitidee des Roten Kreuzes „Aus Liebe zum Menschen“ helfend zu engagieren. Dafür waren sie bereit, auf eigene Freizeit zu verzichten, ständige Ausbildung und Übung, manche durchwachte Nächte, kör- perliche Anstrengungen, auch Aufregung und Ärger auf sich zu nehmen. Nur so war es möglich, eine Idee über so lange Zeit erfolgreich zu leben und den Stürmen der Zeit zu trotzen. Das Spektrum der Aufgaben, die der DRK-Kreisverband Biberach erfüllt, ist heute sehr viel weiter gefächert als in den Anfängen: Die Palette reicht über die Erste-Hilfe-Ausbildung, über den Rettungsdienst und Krankentransport mit dem Betrieb der Leitstelle bis zum Hausnotruf, unserer Kleiderkammer und unseren Tafeln. Das DRK ist damit eine der tragenden sozialen Säulen unserer Gesellschaft. Eine Erfolgsbilanz und Leistung, auf die wir alle im DRK-Kreisverband Biberach stolz sein können: unsere rund 14 000 Mitglieder, die rund 600 ehrenamtlichen Rotkreuz- lerinnen und Rotkreuzler in den zwölf Bereitschaften, die 200 Ehrenamtlichen in der Sozialarbeit und auch die 200 Kinder und Jugendliche im Jugendrotkreuz. Darüber hinaus rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Leitstelle, im Krankentrans- port und in insgesamt sieben Rettungswachen des Rettungsdienstes. Bei all den Herausforderungen, die es tagtäglich zu stemmen gilt, vergisst man leicht einmal den Blick dafür, was unsere Altvorderen unter oft widrigsten Bedingungen geleistet haben und was uns zu dem gemacht hat, was wir heute sind. Deshalb bin ich Frau Dr. Christa Enderle unendlich dankbar. Ohne sie würde es die „Streiflichter“ nicht geben. Sie hat dieses Projekt angestoßen und war über all die Jahre der Mo- tor, der es vorangebracht hat. Sie hat immens viel Zeit und Mühe investiert, um die Geschichte des DRK in unserem Landkreis, die gewaltige humanitäre und kamerad- schaftliche Leistung, die dahinter steckt, zu dokumentieren und so die Erinnerung daran für die Nachwelt zu bewahren. Das ist ihr mit diesen schönen, informativen und unterhaltsamen „Streiflichtern der Rotkreuzarbeit im Landkreis Bi b erach“ her- vorragend gelungen. Man spürt beim Lesen sofort, dass sie sich diesem Projekt mit Herzblut und aus tiefster Überzeugung für die wunderbare Idee des DRK verschrie- ben hat. Ich kann Dr. Christa Enderle und allen, die sie unterstützt haben, nur von ganzem Herzen danken, persönlich und für den DRK-Kreisverband. Allen Leserinnen und Lesern wünsche ich mit diesen „Streiflichtern“ viel Freude und hoffe, dass wir mit dem Blick auf Leistungen der Generationen vor uns die Kraft finden, um die künfti- gen Anforderungen ebenso erfolgreich zu bewältigen und gemeinsam die Erfolgsge- schichte des DRK-Kreisverbandes fortzuschreiben. Peter Schneider Präsident des DRK-Kreisverbandes Biberach

Vorwort Als im Jahr 2010 die Idee der Aufarbeitung der Geschichte unseres Kreisverbandes zu einer Art Chronik entstand, wurde sehr schnell klar, dass dies kein leichtes und schnell zu erledigendes Unterfangen sein würde. Dennoch machte sich eine kleine Projektgruppe ans Werk und begann beharrlich mit der Sammlung von allerlei Da- ten und Informationen. Nach einer ersten Sichtung des Datenmaterials kam man zur Erkenntnis, dass die vorliegenden Daten zur Rotkreuzgeschichte im Landkreis Biberach nicht in einer klassischen Chronik verfasst werden sollten. Vielmehr war es ein Anliegen, möglichst viele Facetten der über viele Jahre gelebten Rotkreuzarbeit auch lebendig aufzuarbeiten. Ausgehend von der ursprünglichen Idee von Henry Dunant, sollte dem Leser anhand von Texten, Bildern und Dokumenten insbesondere die Entwicklung der Rotkreuzar- beit und des Rettungswesens im Landkreis Biberach von der Vergangenheit bis zur Gegenwart nahegebracht werden. Die Rotkreuzgeschichte unseres Landkreises geht bis ins Jahr 1887 zurück. Vor mehr als 130 Jahren fanden sich – noch zu Leb- zeiten von Henry Dunant – auch in Biberach Menschen zusammen, um unter dem Zeichen des Roten Kreuzes eine Hilfsgemeinschaft zu gründen. Von damals bis heute gab es, verbunden mit den gesellschaftlichen Veränderungen, auch vielfälti- ge Veränderungen an die Anforderungen und Aufgaben des Roten Kreuzes. Auch wenn wir in den letzten Jahrzehnten von Kriegen und großen Katastrophen ver- schont geblieben sind, so zeigen die Bilder und Nachrichten aus aller Welt, dass das Rote Kreuz auch in der heutigen Zeit gebraucht wird. Zu jeder Zeit war es wichtig, dass sich Frauen und Männer, aber auch junge Menschen im Jugendrotkreuz der Idee Henry Dunants verpflichten und sich unter Beachtung der in Wien 1965 prokla- mierten Grundsätze des Roten Kreuzes uneigennützig in den Dienst ihrer Mitbürger stellen. Das vorliegende Werk ist eine Gemeinschaftsarbeit, an der viele Menschen mitge- wirkt haben. Durch die Bereitschaft vieler, auch private Bild- und Textbeiträge zur Verfügung zu stellen, für Befragungen zur Verfügung zu stehen und mit Rat und Tat zu helfen, wurde es möglich, wichtige und interessante Einzelheiten zur langjährigen Geschichte des DRK-Kreisverbandes Biberach e.V. zu erfahren. Die treibende Kraft bei der Umsetzung dieses ehrgeizigen Projektes war unsere stellvertretende Präsidentin, Frau Dr. Christa Enderle. Sie hat es mit viel Engage- ment und Herzblut gemeinsam mit der Redakteurin Frau Gabi Ruf-Sprenger möglich gemacht, dass wir dieses Werk in Händen halten können. Gemeinsam mit dem „Ar- beitskreis Chronik“ entstand nicht nur dieses Buch, sondern auch eine umfangreiche digitale Datensammlung, die es möglich macht, dass die über viele Jahre von vielen leidenschaftlichen Rotkreuzlern geleistete Arbeit nicht in Vergessenheit gerät. An dieser Stelle bedanken wir uns herzlich bei allen Beteiligten, insbesondere auch bei ehemaligen haupt- und ehrenamtlichen Rotkreuzmitgliedern, für ihre wertvolle Unterstützung. Peter Haug und Michael Mutschler Geschäftsführung

Vorwort Die Rotkreuzbewegung fand rasch nach ihrer Gründung in unserer Region frucht- baren Niederschlag. In Biberach, Riedlingen, Buchau, Schussenried formierten sich Sanitätskolonnen bereits sehr früh zum Wohle des Nächsten, für den Kriegsfall und den zivilen Dienst mit allen seinen Anforderungen. Weitere Bereitschaften entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg. Allen gemeinsam ist trotz mancher Verschiedenheit die Arbeit zum Wohle des Mitmenschen nach den Statuten des Roten Kreuzes. Um an die Arbeit Tausender von Helfern zu erinnern und ihre Arbeit wertzuschätzen, gründete sich im Kreisverband Biberach des Roten Kreuzes die Projektgruppe „Chronik“. Ziel war es, Vergangenes zu bewahren, Vorhandenes in Wort und Bild zu sammeln, zu vergleichen, sich zu erinnern an Menschen und Ereignisse und, nicht zu vergessen, vor allem wertzuschätzen und zu danken für getane Arbeit. Die zusammengetragenen Fakten und Erinnerungen haben wir als „Streiflichter“ be- titelt, da für eine Chronik im Sinne einer historischen Dokumentation die gefundenen Schriftstücke zu lückenhaft und die Erinnerungen nicht immer belegbar waren. Bei der Vereinsarbeit steht die Dokumentation nicht im Vordergrund, so auch beim DRK. Wichtig war deshalb, Zeitzeugen zu befragen. In der Rotkreuzarbeit steckt sehr viel Herzblut – von ihren Anfängen bis heute. Dieser Satz kann über allem stehen. Danke all jenen, die mitgemacht, mich unterstützt und begleitet haben. Mein besonderer Dank gilt Peter Haug, Doris Frick-Kottermanski, Ulrich Gapp und Gabi Ruf-Sprenger. Viel Freude beim Lesen. Christa Enderle

14 Grundstein der DRK-Wohlfahrtspflege Am Anfang war die Frau Am Anfang war die Frau. Doch es war nicht nur eine Frau, sondern es waren viele Frauen mit der Großherzogin Luise an der Spitze. Wer eintaucht in die Geschichte des Deutschen Roten Kreuzes, wird schnell feststellen: Es waren zunächst vor allem die Frauen, die die Entstehung und Ent- wicklung des Deutschen Roten Kreuzes maßgeblich mit- und vorangetragen haben. Denn während Henry Dunant 1859 ver- suchte, auf dem Schlachtfeld von Solfe- rino das Leid der Verletzten zu lindern, widmeten sich in Deutschland bereits zahlreiche Frauen dem Aufbau von frei- willigen Hilfsvereinen zur Linderung der allgemeinen Not im Land. In diesem Zusammenhang übergab in Karlsruhe Großherzogin Luise von Baden dem Präsidenten des Innenministeriums, von Stengel, eine Denkschrift, in der sie sich für die Gründung einer Hilfsorganisation einsetzt. Dies war der Grundstein für die DRK-Wohlfahrtspflege. Schon bald nach der Genfer Konferenz 1863 entstanden Rotkreuzvereine im gesamten Land, der erste war der Würt- tembergische Sanitätsverein. Hauptan- liegen dieser Vereine war die Versor- gung von Verwundeten in Kriegen. Es entstand darüber hinaus die Idee, sich auch zivilen und sozialen Wirkungsbe- reichen zu widmen. Diese Bewegung gewann immer mehr an Gewicht. Vor allem die zahlreichen Frauenvereine, die sich dem DRK anschlossen, hatten sich die zivile Krankenpflege zur Aufgabe gemacht, die Gesundheitsaufklärung und die Fürsorge für Bedürftige. Im Mit- telpunkt ihrer Arbeit stand somit sehr früh schon nicht nur die Hilfe im Falle

15 eines Krieges, sondern die Hilfe in Not- fällen allgemein. Anschauliche Beispiele für das Engage- ment der Frauen finden sich in den Ar- chiven der Stadt Biberach sowie der Stadt Riedlingen und des DRK-Kreis- verbandes. So haben sich bereits im Jahr 1913 zahlreiche Frauen unter dem Dach des DRK-Landesverbandes im Bezirk stark engagiert und durch große soziale Tä- tigkeit ein finanzielles Polster für spätere Zeiten geschaffen. Es sollte für Kranke, Verwundete, deren Familien und Bedürf- tige eingesetzt werden. Wie wichtig die- se Fürsorge war, zeigte sich schon bei der Mobilmachung 1914. Vorausgegan- gen war am 3. August 1914 ein Hilfeaufruf an Frauen. Es wurde mit der Einrich- tung und Ausstattung des Lazarettes auf dem Gigelberg in Biberach begonnen. Es wurde genäht und gebügelt. Junge Frauen wurden in Kursen zu Helferin- nen und Samariterinnen ausgebildet. Wie wichtig gerade diese Helferinnen- ausbildung war, lässt sich daran ermes- sen, dass die württembergische Königin Charlotte bei den Prüfungen häufig per- sönlich anwesend war. Königin Charlotte war während des ge- samten Ersten Weltkriegs Vorsitzende des Roten Kreuzes und sie nahm ihre Aufgabe sehr ernst. Das von ihr gestiftete „Charlottenkreuz“ wurde in Biberach mehrfach auch an Schwestern des Roten Kreuzes verliehen. Wie in anderen Re- gionen, so wurden auch in Biberach bis zum Kriegsende sogenannte „Liebesga- ben“ gesammelt und verteilt und, weil es so viele verwundete Soldaten zu versor- gen gab, wurde ein weiteres Lazarett im Jordanbad eingerichtet. Auch hier waren es in erster Linie Frauen, die sich der Pflege und Versorgung der Verwunde- ten widmeten.

17 Doch waren die Frauen, darunter viele junge Frauen, teilweise fast noch Mädchen, nicht nur in der Heimat bereit zu helfen, sondern auch in unmittelbarer Nähe des Kriegsgeschehens. Was das bedeutete, welche Auswirkungen ein solcher Einsatz im Ersten Weltkrieg auf die jungen Frauen hatte, und wie im Angesicht des Leids aus Patriotismus Verzweiflung wurde, wird deutlich im Tagebuch der jungen Hilfskran- kenschwester Lili Brand aus Riedlingen. Außergewöhnliche Persönlichkeiten Eugen Häring, 1885–1945 Der Kaufmann Eugen Häring war erster Kolonnenführer in Riedlingen und führte die Kolonne in vorbildlicher Weise, trotz aller politischen Widrigkeiten, von der Gründung bis zu seinem Tode. Er starb bei einem Fliegerangriff in Balingen, als er für das Krankenhaus Riedlingen Wä- sche besorgen sollte. Zwischen Hurra und Entsetzen junge Hilfskrankenschwester Lili Die Brand aus Riedlingen hat im Tagebuch ihren Einsatz im Ersten Weltkrieg be- schrieben: „Sonntag, 25. Oktober 1914: Heute kam Schwester Lisbeth, um bei Vater die Erlaubnis zu erwirken, dass ich einige Fahrten als Küchenhilfe und Putzfrau sowie Bursche des Herrn Dr. Koch mit- machen darf. Vater wollte es anfänglich nicht erlauben, doch nun bekam ich die Rotkreuzbinde mit dem Stempel für die Etappen, mein Häubchen und Stirnband sowie Verwaltungsbuch und Ausweis- karte.“ So beginnt das Tagebuch der Riedlin- ger Apothekerstocher Lili Brand, die

18 Lilli Brand mit knapp 20 Jahren, wohlbehütet aus gutem Hause, voller Patriotismus, auf dem Lazarettzug H des Württembergi- schen Roten Kreuzes nach Belgien und Nordfrankreich zieht. Nach etwas mehr als einem Jahr wird sie körperlich und seelisch am Ende ihrer Kräfte aus dem Dienst entlassen werden. „Der Lazarettzug H des Württember- gischen Roten Kreuzes ist wohl einer der besteingerichteten Lazarettzüge Deutschlands“, beschreibt Lili Brand am ersten Tag begeistert die Einrichtung des Zugs mit zwölf Mannschaftskran- kenwagen, einem Offizierskrankenwa- gen, Apotheken- und Verwaltungskran- kenwagen, Chefarzt- und Ärztewagen sowie Magazin- und Vorratswagen. Zum Personal des Lazarettzugs, der 202 Verwundete aufnehmen kann, ge- hören 21 Schwestern, vier Heizer, ein Monteur, zwei bis drei Ärzte, ein Chef- arzt sowie der Verwalter Gottlob Brand, Lilis Vater. Die anfängliche Begeisterung der jungen Frau weicht beim Anblick der oft grausam verstümmelten Soldaten schnell einem „traurigen Erstaunen“. Der Kampf zwischen Franzosen und Deutschen um die Anhöhen der Stadt Verdun wird zu einer der blutigsten Schlachten des Ersten Weltkriegs und Lili Brand ist mittendrin. Kurz vor Weihnachten, am 21. Dezember 1914, als der Zug bis in die Nähe von Verdun fährt, schreibt sie: „Dies war eine Nacht und ein Tag, die ich mein Leben lang nicht vergesse. Oh Gott, wie furchtbar ist der Krieg. Ein Stoßgebet nach dem anderen sandten wir zum Himmel. Der Kanonendonner kam immer näher. Die Schießerei wird immer stärker. Rechts des Zuges steigen Leuchtkugeln auf und Feuerkugeln und deutlich hört man das Knattern der Maschinenge- wehre. Wir müssen der Front sehr nahe sein.“

19 In ihren Aufzeichnungen wechselt Lilis Tonfall immer wieder von tief betroffen und traurig bis hin zum Spaßigen, wenn sie den Alltag mit ihren Mitschwestern und den Ärzten beschreibt. Etwa: „Dok- tor Koch wechselt die Stimmungen und Launen wie das Wetter.“ Und: „Rüffel von Doktor Koch gehen zu Herzen, puh, der kann schimpfen und fluchen, dass einem Hören und Sehen vergeht.“ Oder: „Man muss furchtbar ruhig und brav sein, denn die älteren Küchen- schwestern steigen sehr früh in ihre Bet- ten, und doch gibt es viele komische Dinge, sodass man lachen muss.“ Oder: „Jetzt liegt ein Güterzug mit 1700 lebenden, quiekenden Schweinen neben uns. Eine wenig an- genehme Nachbarschaft.“ Durchaus kri- tisch bewertet die junge Frau dagegen die angepasste Haltung und die Predig- ten der beiden Zugpfarrer. So schreibt sie am Sonntag, 8. November 1914: „In der Küche war heute Gottesdienst von stinkenden, Herrn Pfarrer Hutzel. Er sprach aber meiner Ansicht nach nicht gut ... Es war so lau wie Spülwasser.“ Fast irreal muten dagegen ihre Schilde- rungen von der Silvesterfeier an: „Don- nerstag, 31. Dezember, Silvester: Es war eine herrliche Silvesterfeier, wie sie schöner nicht hätte sein können. Um sechs Uhr zogen alle in die Stadt. Wir kamen in einen Schutzraum und nah- men mit den Offizieren Platz. 300 Sol- daten saßen unter uns und um uns. Ein Frontoffizier sprach große vaterländische Worte, dass Gott uns siegen lassen möge, dass wieder das Reine über den Schmutz siege, auch gedachte er den Gefallenen und deren Hinterbliebenen in ergreifenden Worten. Gemeinsam sang man einige Lieder und endete mit unserem lieben Deutschland, Deutsch- land über alles. Um dreiviertel zwölf Uhr sangen wir ,Großer Gott, wir loben dich‘ vor dem Offizierswagen. Um zwölf Uhr

20 Ein Hoch auf Kaiser und Reich brachten wir ein Hoch aus auf Kaiser und Reich und vor allem auf unsere tap- feren Soldaten. Am Bahnhof wurde das neue Jahr angeschossen. Um zwei Uhr kamen tausend Mann frische Truppen an die Front. Gott schütze sie im neuen Jahr, was wird es uns bringen, Sieg und Frie- den?“ Im Angesicht des Grauens schreibt sie am Mittwoch, 17. März 1915, voller Em- pathie für die Verwundeten: „Ein deut- scher Soldat wurde zugeschüttet und ist deshalb im Kopf gestört. Er heißt mich immer Amanda. In Mühlacker riss er bar- fuß und im Hemd aus und rannte über den Bahnhof.“ Und weiter: „Ein anderer Verwundeter weinte immer, da er ein Bein amputiert und an der linken Hand vier Finger weg hatte. Seine Frau und Schwiegermutter hätten ihm böse Briefe geschrieben, seit sie wüssten, dass er ein Krüppel sei. Solche Weiber gehören selbst ins Feuer der Granaten gestellt.“ Während die einen als Krüppel zurück- kehren, ziehen andere voller Sieges- zuversicht in den Krieg. Auch das be- schreibt Lili Brand: „Donnerstag, 8. April 1915, regnete es in Strömen. Trotzdem begleitete der Musikzug 40 kölsche Landstürmer an den Bahnhof. Sie riefen uns zu: ,Schwesterchen, endlich haben wir’s erreicht, wir dürfen an die Front!‘ Es waren heute Männer mit grauen Haaren und Bärten, die sich freiwillig an die Front gemeldet hatten. Unter ,Muss i denn zum Städtele hinaus‘ fuhren sie ab.“ Wohl von der Kriegspropaganda be- einflusst, schreibt sie am Samstag, 10. April 1915: „Morgens, 10 Uhr, kommen 1800 Russen hier durch zum Arbeits- einsatz. Seltsame Russen, größtenteils affenähnliche Gestalten. Beim Verteilen ihres Brotes gebärdeten sie sich wie wahnsinnig und rauften sich. Einer, der wohl zwei Stück genommen hatte, wur- de zu Boden geworfen und mit den Fü-

24 Die Propaganda wirkt Die Tagebucheinträge sind die Auf- zeichnungen eines jungen Mädchens, in welchen Lili nicht nur eindrücklich das Grauen des Krieges schildert, sondern die auch zeigen, wie bei der jungen Frau die anfängliche Begeisterung weicht. Dennoch stimmt sie, von der Kriegspro- paganda beeinflusst, immer wieder in das kollektive Hurra ein, wenn deutsche Siege vermeldet werden und die Propa- ganda „vom grausamen Franzosen und Erbfeind“ übernimmt. So schreibt sie am Dienstag, 13. Juli 1915: „Zu meiner 19. Fahrt, der schlimmsten und eigenartigsten: Früh, sechseinhalb Uhr, Ankunft in Konstanz im reich geschmückten Bahnhof. Birken, Tannen und Fahnen und große Girlanden bildeten den Schmuck zum Empfang von 250 Austauschverwundeten, die in französischer und englischer Gefangen- schaft waren seit August, September, Oktober 1914. Hohe Offiziere und Ärzte, anbei war Prinz Max von Baden, stan- den zum Empfang bereit. Da fuhr der Schweizer Zug ein. Hoch- und Hurrarufe und Musik empfingen die Austauschver- wundeten. Aber als man die zerlumpten, entsetzlich elend aussehenden Krüppel sah, blieb kein Auge tränenlos. Es war furchtbar. 250 Lahme, Blinde und aus- gemergelte Hungergestalten lagen im Zug und verließen ihn auf Tragen oder Krücken.“ Und, ganz im Einklang mit der Propa- ganda: „Ein Hauptmann mit amputiertem Arm war drei Tage im Gefängnis bei Wasser und Brot, in Dunkelheit. Einen Leutnant mit amputiertem Bein ließen sie absichtlich zwei Tage ohne Versor- gung auf der Straße liegen. Fast alle, mit nur ganz wenigen Ausnahmen, wa- ren aus den Gelenken heraus amputiert,

25 damit ja kein künstliches Glied mehr an- zubringen war in Zukunft. Ein Mann mit Bauchschuss war ein halbes Jahr ohne ärztliche Versorgung im Gefängnis. Ei- nem Kriegsfreiwilligen amputierten sie ohne Narkose das Bein, und als eine französische Schwester für ihn um Nar- kose bat, meinte der französische Arzt: ,Er soll es gerade spüren, warum ist er freiwillig gegen uns in den Krieg gezo- gen?’ Ab heute werde ich die Franzosen mein Leben lang hassen, bis zum letz- ten Atemzug.“ Traumatisiert und krank Immer wieder schreibt die junge Frau auch von den vielen blinden Soldaten – Opfer von Senfgasangriffen – und den Typhus- kranken unter ihnen. Traumatisiert von ihren Erlebnissen, erschöpft, ernüchtert und krank, zitiert sie am Freitag, 17. September 1915, nach 27 Fahrten „ins Feindesland“ aus ihrem Verwendungsbuch: „Schwester Lili Brand ist aus dem Dienst des Laza- rettzuges H wegen vollständiger körper- licher Erschöpfung zu entlassen!“ Außergewöhnliche Persönlichkeiten Fridolin Vogel, 1893–1963 Fridolin Vogel war erster Bereitschaftsleiter nach dem Zweiten Weltkrieg in Riedlingen und während des Krieges als Krankenpfle- ger und beim DRK aktiv. Er machte sich verdient in der Ausbildung und im Wieder- aufbau nach dem Zweiten Weltkrieg.

26 Henry Dunant veränderte die Welt nachhaltig Henry Dunant Das Leben des Henry Dunant war ein Wechselbad des Erfolgs und des Miss- erfolgs. Er war kompromisslos in seinen Ansichten und manchmal hilflos gegen- über seinen Mitmenschen. Doch seine Beharrlichkeit hat die Rotkreuzbewegung ins Leben gerufen und seine Ideen sind ihr noch heute Leitbild und Vision. Henry Dunant veränderte die Welt nachhaltig mit seinen Ideen: Das Internationale Rote Kreuz ist heute die größte humani- täre Organisation der Welt. Geboren am 8. Mai 1828 in Genf als erstes Kind des Kaufmanns Jean-Jacques Dunant und dessen Frau Anne-Antoinette Colladon, aus calvinistischem wohlha- bendem Hause. Sein Vater Jean-Jacques Dunant war ein erfolgreicher Kaufmann. Er gehörte dem Conseil Représentatif an, der damaligen Legislative der Stadt Genf, und kümmerte sich um Waisen und Vorbestrafte. Henry Dunants Mutter war eine Tochter von Henri Colladon, dem Leiter des Genfer Krankenhauses und Bürgermeister von Avully bei Genf. Sie war im wohltätigen Bereich für Arme und Kranke tätig. Henry Dunant wurde im Geiste der Er- weckungsbewegung, des „Reveil“, erzo- gen. Erfolg und Wohlergehen galten als Zeichen der Erwählung Gottes. Henry Dunants Mutter war eine Anhängerin des Erweckungspastors Gaussen, ebenso Henry selbst. Gaussen gründete eine evangelische Gemeinschaft. Ohne die Gedanken jener Gemeinschaft ist das Rote Kreuz nicht denkbar. Sie prägten den jungen Henry Dunant tief und nach- haltig, sodass er sich dem Leid anderer Menschen nicht verschließen konnte. Als junger Mann absolvierte Henry Du- nant eine Banklehre. In seiner Freizeit

27 Das Erlebnis der unvorstellbar blutigen und grausamen Schlacht bei Solferino am 24. Juni 1859, deren Zeuge er wur- de, prägte Dunant nachhaltig. 150 000 Mann trafen aufeinander, 40 000 starben oder wurden verwundet. Viele starben an ihren Verwundungen. Henry Dunant organisierte einen Hilfs- dienst, als er das Ausmaß des Grauens erkannte. Er organisierte Verbandsmittel, Nahrungsmittel und schrieb Briefe, die in Genf in mehreren Zeitungen veröffent- licht wurden, um Gelder zu sammeln. begleitete und unterstützte er Vater und Mutter bei sozialen Unternehmungen. Die Treffen mit seinen Freunden zum wöchentlichen Bibelstudium inspirierten den jungen Henry Dunant, die Gruppe des Christlichen Vereins junger Männer (CVJM) zu gründen. Dunant war ein Vi- sionär, ein Idealist. Er träumte von einer Gesellschaft der Samariter des Friedens. In den Jahren danach zeigten sich je- doch noch andere Charakterzüge. Geld und Anerkennung wurden ihm wichtig. So ließ er sich als Vertreter seines Gen- fer Bankhauses auf Spekulationen ein, gründete eigene Gesellschaften wie etwa eine Kolonialgesellschaft und eine Mühlengesellschaft in Algerien. Dunant bekam Probleme mit der Kolonial- behörde und wandte sich an Napoleon III. Um bei Napoleon III., der sich im Krieg mit Österreich befand, vorzusprechen, reiste Dunant diesem hinterher nach Italien.

28 „Das Komitee der Fünf“ Dunant machte keinen Unterschied zwi- schen Freund und Feind in dieser Lage: „Sono tutti fratelli“ (wir sind alle Brüder) – er wollte helfen ohne Ansehen der Person und deren Nationalität. Das war die Geburtsstunde des Roten Kreuzes, das die Neutralität zu einem sei- ner wichtigsten Grundsätze erheben wird. Unterstützt wurde Dunant von der Grä- fin Valerie de Gasparin. Sie sammelte engagiert Gelder für die gemeinsame Sache. Zu ihr stieß Dr. Louis Appia, der ebenfalls bei der offiziellen Gründung des Roten Kreuzes dabei war. Schon früh trieb Henry Dunant der Ge- danke um, warum Soldaten im Kriege medizinisch so schlecht versorgt wur- den: „Ein Krieger, der seinem Vaterlande dient oder es verteidigt, hat Anspruch auf die Sorge seines Vaterlandes.“ (Aus „Der Wohltäter“, Elke Endraß, Wi- chern-Verlag 2910) 1863 veröffentlichte Henry Dunant das Buch „Eine Erinnerung an Solferino“. Die erste Auflage wurde an einflussreiche Persönlichkeiten verschenkt wie etwa an die Großfürstin von Russland, einer geborenen Prinzessin von Württem- berg. Hier tauchte auch bereits General Henri Dufour auf, der die Darstellung zwar beeindruckend fand, an die Grün- dung einer Organisation zur Versorgung der Verwundeten jedoch nicht so recht glauben konnte. Zu groß erschien ihm diese Idee. Die zweite Auflage des Buches ging in den Handel und verbreitete sich rasch. Am 17. Februar 1863 traf sich erstmals das „Komitee der Fünf“: Henry Dunant, Guillaume-Henri Dufour, Theo- dore Maunoir, Louis Appia und Gustav Moynier. Dieses „Komitee der Fünf“ wurde später in das IKRK (Internatio- nales Komitee des Roten Kreuzes) um- benannt.

29 Danach begann eine groß angelegte Werbekampagne. Henry Dunant reis- te nach Paris und Berlin, knüpfte neue Kontakte und suchte Geldgeber. Er war in jener Zeit ein international, beson- ders jedoch in Preußen hoch geachteter Mann. 1864 wurde bei der Genfer Konferenz die bis dahin umstrittene Neutralität in die Beschlüsse mit aufgenommen. Der Rotkreuzgedanke verbreitete sich schnell in ganz Europa. Es entstanden zahlreiche DRK-Organisationen – meist von Frauen getragen. Besonders die deutsche Kaiserin Augusta, die sächsi- sche Königin Carola und die sorbische Kaufmannsfrau Marie Simon taten sich hier hervor. er ein unstetes Leben in materiellem Elend, lebte in Stuttgart, dann in Rom, auf Korfu, in Basel und Karlsruhe. Aus London schickte er einen Hilferuf an sei- ne Familie in Genf und bekam schließ- lich von dieser eine monatliche Unter- stützung. Er ließ sich 1887 in Heiden in der Schweiz nieder und verbrachte seine letzten Jahre am Bodensee als misstrauischer Einsiedler, zerstritten mit sich und der Welt. Nach seinem Tod am 30. Oktober 1910 wurde Henry Dunant in Zürich begraben. Als Anerkennung für sein Lebenswerk erhielt Henry Dunant 1901 den Friedens- nobelpreis zusammen mit dem Pazifisten Frederic Passy. Als Geschäftsmann scheiterte Henry Durant. Seine Geschäfte gingen bank- rott. In den Jahren 1874 bis 1886 führte Quellen: Deutsches Rotes Kreuz, Elke Endraß: Der Wohltäter, Wichern-Verlag 2010, Stefan Scho- mann: Im Zeichen der Menschlichkeit DVA 2013.

30 Historischer Rückblick Nach Napoleon I. begann die Zeit der Restauration 1814/15, in Wien tagte der Wiener Kongress. Die Staaten dach- ten nicht daran, in der Zeit nach 1814, die bis zum Ausbruch des Krimkrieges (1853–1856) friedlich blieb, sich um das Schicksal verwundeter und erkrankter Soldaten zu kümmern. Diese Vernach- lässigung hatte katastrophale Folgen. Aus dem Krimkrieg wird berichtet, dass bis 120 000 Menschen an ihren Verwun- dungen, an Kälte und Cholera starben. Quelle: Dieter Riesenberger, Für Humanität in Krieg und Frieden, Vandenhoeck u. Rupprecht Göttingen 1992 Die britische Krankenschwester Florence Nightingale leistete hier Übermensch- liches. Nightingale war die jüngste Tochter einer wohlhabenden britischen Familie. Nach Ausbruch des Krimkrieges leitete sie im Auftrag der britischen Regierung eine Gruppe von Pflegerinnen, die ver- wundete und erkrankte britische Solda- ten im Militärkrankenhaus im türkischen Scutari betreute. Zu ihren zahlreichen Be- wunderern gehörte auch Henry Dunant. Für die Geschichte der Rotkreuzbewe- gung in Deutschland waren die Frauen- vereine der Freiheitskriege bedeutend, da die Rotkreuzbewegung an diese Frauenvereine anknüpfen konnte und dies auch bewusst tat. Gegründet wurden diese Frauenvereine meist von adeligen Damen. Diese waren oftmals finanziell unabhängig, sehr ge- bildet und sammelten und verteilten Gü- ter und halfen auch selbst in der Pflege. Nach 1815 lösten diese Frauenvereine sich allerdings bis auf wenige wieder auf. Man brauchte diese Art der Wohltä- tigkeit scheinbar nicht mehr. Quelle: Dieter Riesenberger „Das Deutsche Rote Kreuz“ Schöningh Paderborn 2002.

31 Im Deutschen Reich nach 1850 entwi- ckelte sich die Rotkreuzbewegung mit Unterstützung der Herrscherhäuser dennoch schnell, weil die Erinnerung an die freiwillige Pflege und Unterstützung verwundeter Soldaten in den Befrei- ungskriegen lebendig geblieben war. Ab 1864 gründeten sich viele Rotkreuz- gesellschaften, meist unter der Schirm- herrschaft einer „Patronin“, einer adeli- gen Dame, Königin oder Angehörigen eines Herrscherhauses. Schon 1859 gründete die badische Großherzogin Luise den Badischen Frauenverein als Vorläufer für die Schwesternschaft des Deutschen Roten Kreuzes (Luisenschwestern). 1863 wurde in Stuttgart der Württem- bergische Sanitätsverein gegründet. Die Damen des Hauses Württemberg spiel- ten dabei eine große Rolle. 1866 Gründung der vaterländischen Frauenvereine durch die spätere Kaiserin Augusta, diesem schließt sich 1888 der Frauenverein für die Krankenpflege in den Kolonien an. 1867 Gründung der Albertinerinnen in Sachsen, ebenfalls als Vorläufer der Rotkreuzschwestern genannt. Die ersten Bewährungsproben hatte der Rotkreuzgedanke im Dänisch-Preu- ßischen Krieg 1864, im Preußisch- Österreichischen Krieg 1866 und im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zu bestehen. Manche der für die Kriege gegründeten Sanitätskolonnen – die Benennung war zum damaligen Zeitpunkt nicht einheit- lich – lösten sich in Friedenszeiten wieder auf. Sie waren nur zum Dienst im Felde gedacht, nicht jedoch für Einsätze im Frieden.

Hubschraubereinsatz in Riedlingen etwa 1972 32 1864 waren erstmals freiwillige Kran- kenpfleger im Einsatz. Allerdings dauer- te es bis 1886, bis eine Genossenschaft freiwilliger Krankenpfleger im Kriege als eine ständige Institution ins Leben ge- rufen wurde. Dies geschah auf Initiative des Deutschen Zentralkomitees des Roten Kreuzes. Trotz der Ausrichtung der Sanitätskolon- nen auf den Kriegsfall, entwickelte sich eine große Anzahl an zivilen Aufgaben. Es seien nur genannt: Errichtung von Sanitäts- und Rettungswachen, Dienste bei Veranstaltungen, bei Begleitungen, bei größeren Betrieben, Errichtung von Materialdepots. Zu den wichtigsten Aufgaben der Sa- nitätsdienste im Krieg gehörten die Bergung und der Transport von Ver- wundeten. Diese freiwilligen Kranken- trägerabteilungen wurden ab 1870 als Sanitätskolonnen bezeichnet. Krieger- vereine wurden aufgefordert, sich in die Gründung der Sanitätskolonnen einzubringen. Die Mitglieder der Sani- tätskolonnen erhielten eine Entschädi- gung für den Lohnausfall während der Ausbildung. Dies war notwendig, da die Mitglieder zu 99 Prozent aus Arbeitern, Handwerkern und unteren Beamten be- standen. Diese zivilen Aufgaben trugen maßgeblich für die Verbesserung des Sanitätswe- sens im industrialisierten Zeitalter bei.

34 1914 bis 1918 – Erster Weltkrieg 1914 bestand die Genfer Konvention seit 50 Jahren. Doch zum Feiern be- stand wenig Grund. Der 1. August 1914 war Tag der Mobilmachung. „Sofort“ war das wichtigste Wort jener Tage, sofort wurden Verbandsstationen und Nähstuben eröffnet. Die Kriegsbegeis- terung jener Tage ist kaum nachvoll- ziehbar. Auch das Rote Kreuz forderte zur Zeichnung von Kriegsanleihen auf. Doch der Krieg, in den viele so be- geistert zogen, entwickelte sich zu einem zermürbenden Graben- und Stellungskrieg. Immer wieder wurde die Bevölkerung aufgerufen, zu spen- den. Besondere Wichtigkeit erreichten die sogenannten Liebesgaben für die Soldaten an der Front und in den Ge- fangenenlagern. Diese Liebesgaben bestanden aus Sachspenden aller Art; Butter, Fleisch, Socken, Kleidungsstü- cken, insbesondere warmer Kleidung, Büchern, um nur einige Beispiele zu nennen. Kriegstagebücher sind bis heute ergiebige Quellen. Eine 16-jährige Hilfsschwester aus Riedlingen, Lili Brand, schilderte in ihrem Tagebuch alle Gefühle „zwischen Hurra und Entsetzen“. Sie war in einem Lazarettzug, dem Lazarettzug H des Württembergischen Roten Kreuzes, als Schwester tätig, um nach 27 Fahrten bis in die Kampfgebiete völlig erschöpft aus dem Dienst auszuscheiden. Je länger dieser Krieg dauerte, desto größer wurde die Überforderung der Sanitätskolonnen und ihrer Mitarbeiter. Ab etwa 1916 waren die Grenzen der Leistungsfähigkeit überschritten. Die Bedeutung des Roten Kreuzes im Ers- ten Weltkrieg lag nicht nur in ihrem Bei- trag zur Bergung von Verwundeten und Kranken. Das Rote Kreuz war auch ein

35 Mobilisierungsinstrument, das sich ef- fizient und unkritisch in den Dienst des Krieges stellte. Nach dem Ersten Weltkrieg herrschte eine große Umbruchphase. Neue Strukturen für Friedenszeiten wurden geschaf- fen. In den vorangegangenen Jahren konzentrierte sich die Arbeit des Roten Kreuzes vornehmlich auf den Sanitäts- dienst der deutschen Streitkräfte und wurde stark mit Militär und Monarchie verbunden. Fortan ging es stärker dar- um, gesundheitliche und wirtschaftliche Not zu verhüten, zu bekämpfen und zu lindern. Als eine der dringlichsten Aufga- ben wurde in der Satzung von 1921 „die Hebung der Volksgesundheit und die Bekämpfung von Seuchen und Volks- krankheiten“ angesehen. Die bestehen- den Landesvereine und Landesfrauen- vereine wandten sich im Rahmen der allgemeinen Entmilitarisierung wieder verstärkt der Wohlfahrtsarbeit zu. 1939 bis 1945 – Zweiter Weltkrieg Ab 1933 wurde das DRK schrittweise gleichgeschaltet: Die meisten DRK-So- zialeinrichtungen wurden durch die NS-Volkswohlfahrt entschädigungslos enteignet. Die NS-Ideologie betonte im Zusammenhang mit wohlfahrtspflege- rischen Tätigkeiten zunächst noch die Bedeutung der „Friedensarbeit“. Auch das in der Weimarer Republik angereg- te und sehr erfolgreiche Winterhilfswerk wurde unter den Nationalsozialisten ver- einnahmt und entwickelte sich zu einer sehr zweifelhaften Regelleistung. Von der Freiwilligkeit, die das Winterhilfs- werk anfangs prägte, konnte keine Rede mehr sein. Als die NS-Volkswohlfahrt zur größten „Wohlfahrtsorganisation des deutschen Volkes“ wurde, setzte eine Offensive ge- gen die freien Wohlfahrtsverbände ein.

36 Außergewöhnliche Persönlichkeiten Herbert und Gabriele Schilling Herbert und Gabriele Schilling stehen für eine ganze Familie im Roten Kreuz. Beide hatten viele ehrenamtliche Funk- tionen im Kreisverband Biberach. Für seine vielfältigen Aufgaben und sein jahrzehntelanges Engagement wurde Herbert Schilling im Oktober 2018 mit der Landesehrennadel ausgezeichnet. Längst schon führen auch seine Söhne, Töchter und Enkel die Rotkreuzarbeit weiter. Für seinen unermüdlichen, außerge- wöhnlichen Einsatz für das DRK Biber- ach und den Kreisverband Biberach wurde Herbert Schilling 2018 mit der Landesehrennadel und 2019 mit dem Ehrenzeichen des Bundesverbandes ausgezeichnet. Schnell wurde das DRK nach dem „Füh- rerprinzip“ strikt hierarchisch gegliedert und verlor schließlich alle Wohlfahrtsein- richtungen. Auch das Jugendrotkreuz wurde aufgelöst. Das Rotkreuzgesetz 1937 gab dem Deutschen Roten Kreuz eine Stellung im Gesamtgefüge der Nation. Hier schon ist zu ersehen, dass eine Konfliktsitua- tion bestand zwischen der Treuepflicht dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes gegenüber und dem Abhängig- keitsverhältnis zum Staat. Quelle: Birgitt Morgenbrod und Stefanie Mer- kenich, Das Deutsche Rote Kreuz in der NS-Dik- tatur. Schönigh Verlag 2008. Die Rückführung der Sanitätskolonnen auf den militärischen Sanitätsdienst ergab weitere Konfliktfelder, besonders mit den großbürgerlich-adeligen Frauenvereinen wie sie bis dahin bestanden. Der Präsident

Dunkles Kapitel 37 unserer Region ist dies für Riedlingen, Laupheim und Buchau zu sagen. Die Männer waren im Felde oder gefallen, Frauen wurden als Helferinnen dringend gebraucht, und so bestanden die Bereit- schaften während des gesamten Zweiten Weltkriegs überwiegend aus Frauen. Die Lebensgeschichten der Luise Schirmer aus Riedlingen und von Else Schupp- Wörz aus Laupheim bezeugen dies. Da weder Protokollbücher noch Zeitungsbe- richte Aufschluss über das Geschehen während des Zweiten Weltkriegs gaben, war das Gespräch mit der Zeitzeugin Luise Schirmer, geborene Hess, aufschlussreich, ebenso das Tagebuch der Laupheimerin Else Schupp-Wörz. des Deutschen Roten Kreuzes im Dritten Reich, Ernst-Robert Grawitz, SS-Ober- gruppenführer und General der Waffen-SS, versuchte, beide Rollen voneinander zu trennen. Jedoch sind auch die dunkelsten Kapitel des Deutschen Roten Kreuzes in der damaligen Zeit mit dem Namen Gra- witz verbunden, der als „Reichsarzt SS“ mitverantwortlich war für die Massenmorde an behinderten Menschen und für medizini- sche Experimente an Gefangenen. Zyklon B soll in Rot-Kreuz-Fahrzeugen transpor- tiert worden sein. Historiker befassen sich bis heute mit diesen düsteren Ereignissen in der deutschen Rotkreuzgeschichte. In dieses dunkle Kapitel fällt auch die Ablösung des Kolonnenführers Moritz Vierfelder aus Buchau 1934. Bereits 1935 wurden die DRK-Sanitäts- kolonnen der NSDAP angegliedert. Die- se Eingliederung war 1937 beendet. Die Protokollbücher sind geschlossen. In

38 Außergewöhnliche Persönlichkeiten Else Schupp-Wörz, 1914–2013 Else Schupp-Wörz wuchs in einer sehr religiös geprägten Familie auf. Auf christliche Werte fixiert, arbeitete sie als junger Mensch bei einem Onkel in Bayern. 1937 war sie als Kinderbetreu- erin engagiert, war ab 1939 beim DRK, arbeitete im Reservelazarett, als Arztse- kretärin und als Nachrichtenhelferin. Die Arbeit als Nachrichtenhelferin führte sie durch viele Kriegsschauplätze im Osten und im Westen. Neben Kriegserlebnis- sen prägten sie Konflikte zwischen dem Glauben und der damaligen politischen Realität. Nach dem Zweiten Weltkrieg war Else Schupp-Wörz jahrzehntelang für das DRK Laupheim tätig. Die Sozial- arbeit mit Nachbarschaftshilfe und Kran- kenpflege war ihr bis zu ihrem Tod ein großes Anliegen. Gründung der Bereitschaf- ten im Landkreis Biberach 1887 Biberach 1911 Laupheim 1925 Buchau 1925 Schussenried 1926 Riedlingen 1953 Ochsenhausen 1969 Eberhardzell-Füramoos 1970 Schwendi 1976 Rot an der Rot 1977 Ummendorf 1978 Schemmerhofen 1978 Erolzheim Gründungsjahre der Sanitätskolonnen nach dem Ersten Weltkrieg Nach dem Krieg nahm das DRK seine Wohlfahrtsarbeit schrittweise wieder auf. Es kümmerte sich um die Betreuung von Kriegsheimkehrern und Flüchtlingen

und half bei zahlreichen vom Ausland fi- nanzierten Hilfsmaßnahmen für Kinder. In den 1950er-Jahren beginnen in der Bundesrepublik die ersten Vorläufer des Freiwilligen Sozialen Jahres (FSJ). Das DRK ist 1964 noch vor der Gesetzge- bung eine der ersten Organisationen, die mit einem Modellversuch starte- ten. Insbesondere in den 1970er- und 1980er-Jahren kam es im DRK der Bun- desrepublik zu einem nachhaltigen Aus- bau der Wohlfahrts- und Sozialarbeit, zahlreiche Reformprojekte wurden auf den Weg gebracht. 39 Die Männervereine und die Sanitätsko- lonnen taten sich zunächst nach dem verlorenen Krieg jedoch noch schwer, ein neues Selbstverständnis und neue Aufgaben zu finden, da bis dahin alles auf den Kriegsdienst ausgerichtet war. Den Schwesternschaften und Frauenver- einen fiel es leichter, ihre Arbeit neu aus- zurichten. Sie fanden ein breites Betäti- gungsfeld im Aufbau des Wohlfahrts- und Fürsorgewesens. Rettungswesen und Krankenpflege galten für den Friedensbe- reich als wichtige Tätigkeiten. Unfallstatio- nen, Sanitätswachen, Dienste bei Festen, Krankenbeförderungsdienste, Unfallmel- destellen, Werkskolonnen, Schulung und Ausbildung in Krankenpflege waren einige der neuen Tätigkeitsfelder der Kolonnen. Kritisiert wurde jedoch, dass die Leiter der Kolonnen häufig von pensionierten Offizieren übernommen worden waren, was von den Basismitarbeitern nur noch

40 murrend geduldet wurde. Auch dies soll- te sich im Laufe der Zeit bessern. Die neue Ausbildung, Zuständigkeiten, Tä- tigkeitsbereiche werteten die Kolonnen auf. Die entlassenen Sanitätsunteroffi- ziere und -feldwebel wurden in leitende Stellungen der Kolonnen übernommen. Der Autor Riesenberger zitiert aus Buchau/Federsee: „Schwierigkeiten in der Werbung ergaben sich nicht, da sich ehemalige Sanitäts- mannschaften und Krankenträger sofort meldeten und eintraten. Allerdings hatte man auch Angst, dass militärischer Ton u. Ä. erhalten bliebe. Dies konnte dann relativ demokratisch erledigt werden.“ Die Mitgliederzahlen stiegen und es gab zahlreiche Neugründungen ab 1922/23. Maßgeblich dafür waren die Rotkreuz- gedanken Idealismus, politische Neutra- lität und Hilfsbereitschaft. Es schloss sich der rasche Ausbau der Rettungswachen und Meldestationen an. Schon 1932 waren in den Sanitätskolon- nen des Deutschen Roten Kreuzes hoch motivierte, gut ausgebildete Mitglieder. In diese Jahre fiel auch die Gründung der Sanitätskolonnen Buchau, Schus- senried und Riedlingen. Schon der erste Kolonnenführer der Ko- lonne Buchau, Moritz Vierfelder, gründe- te eigene kleine Sanitätsstationen rund um den Federsee.

41 Außergewöhnliche Persönlichkeiten Luise Schirmer, 1921–2017 Luise Schirmer trat 1943 in das DRK ein über einen Aufruf, einen Sanitätskurs zu machen, um dann in der Heimat Dienst machen zu können. In diesen Jahren waren es fast ausschließlich Frauen, die Dienst taten, da die Männer im Krieg waren. Der Dienst war schwer und ge- fährlich, da er auch das Ausladen von Verwundeten aus Zügen beinhaltete, oft auch nachts, ohne jede Beleuchtung. Socken stricken, Binden wickeln, Wä- sche stopfen waren weitere Aufgaben der Frauen. Luise Schirmer blieb als Helferin beim Blutspenden bis ins hohe Alter aktiv. Ihr Interesse am Roten Kreuz blieb bis zu ihrem Tode erhalten. Biberach Die Gründung der DRK-Bereitschaft Bi- berach am 9. Juni 1887 auf Anregung des Oberamtswundarztes Dr. Schich- terle ist wohl als Nachklang zu den Er- eignissen des Krieges 1870/71 einzu- ordnen. Es wurde die Sanitätskolonne Nr. VIII vom Württembergischen Roten Kreuz unter dem Protektorat von Königin Char- lotte von Württemberg gegründet. Unterzeichnet wurde das Gründungs- protokoll von Paul Mangold. Die Begeisterung war am Anfang so groß, dass im ersten Jahr und im darauf- folgenden Jahr jeweils über 30 Übungen abgehalten wurden. 1889 fand eine Besichtigung der Kolonne durch Prinz Hermann zu Sachsen-Weimar-Eisenach mit einer Großübung statt.

42 Idealismus, politische Neutralität und Hilfsbereitschaft Bereits 1890 wurden in Biberach auch Frauen ausgebildet. Neben der Sani- tätskolonne, die bis dahin nur männli- che Mitglieder hatte, entstand 1890 der Verein zur Ausbildung von Krankenpfle- gepersonal, in dem auch weibliche Mit- glieder aufgenommen und ausgebildet wurden. Wie wichtig dies war, zeigte sich im Ers- ten Weltkrieg, als die Helferinnen uner- müdlich tätig waren, während die Män- ner an der Front waren. Über die NS-Zeit findet sich wenig in den Unterlagen, jedoch wird über die Veränderungen der Sanitätskolonnen im Rahmen der Einverleibung in die NSDAP berichtet. Diese Eingliederung war wie in Laupheim, Buchau und Ried- lingen 1937 abgeschlossen. Der Zweite Weltkrieg setzte der Biber- acher Bereitschaft erheblich zu. Beson- ders gegen Ende des Krieges nahmen die Fliegerangriffe zu. Die Einsätze der Rotkreuzmänner und -frauen beim Dienst in den Lazarettzügen wurden im- mer gefährlicher. Dennoch wurden die- se Einsätze mit großem Mut und großer Tapferkeit weitergeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zur Wiedergründung der Bereitschaft Biber- ach. Die großen Aufgaben jener Zeit blieben gleich: humanitäre Hilfe für Ver- wundete, bei Gefangenentransporten und Jugendtransporten und Kinderhilfe, um nur einige Aufgabenfelder zu nen- nen. Die Namen Wilma Gehrung, Julius Sontheimer und Gertrude Gronmeyer sind mit diesen Umbruchzeiten verbun- den. 1959 wurden die ersten Blutspende-Akti- onen in Biberach durchgeführt. 1998/99 wurde das jetzige DRK-Zentrum gebaut. Seit 1986 ist zudem die Wasserwacht

43 treuung von Flüchtlingen aus der ehe- maligen DDR humanitäre Hilfe, ebenso die Bereitschaften Schemmerhofen und Bad Buchau. Fast einen Monat wur- den die Übersiedler, die nach Biberach kamen, betreut. Herbert Schilling und Wolfgang Briem haben sich hier in be- sonderer Weise engagiert. Teil des Ortsvereins Biberach. Ebenfalls nicht zu vergessen ist der Katastrophen- schutz mit seinen mannigfaltigen Aufga- ben. Ein bewegendes Ereignis für die ganze Region und alle Rettungskräfte war der Flugzeugabsturz 1983, als eine franzö- sische Mirage und ein Sportflugzeug über Birkenhard zusammenprallten und daraufhin in Birkendorf auf eine Wohn- siedlung stürzten. Dies war wohl der schrecklichste Einsatz der Bereitschaft Biberach. Bilanz des schrecklichen Un- glücks: acht Tote, acht Schwerverletz- te, drei lebensgefährlich Verletzte. Die Rettungsleitstelle war personell und technisch am Rande ihrer Kräfte. Das Telefonnetz in Biberach drohte zusam- menzubrechen, weshalb die Post das Telefonnetz für Biberach abstellte. Biberach mit seiner Bereitschaft leistete auch 1989 bei der Ankunft und der Be-

46 Laupheim Bereits im Krieg 1870/71 gab es in Laup- heim ein Sanitätskorps, das in dem dort existierenden Lazarett eingesetzt wurde. Ausgehend vom Turnverein Laup heim entstand dann am 1. Dezember 1911 unter der Leitung von Oberamtmann Ehmann die Sanitätskolonne Laupheim, Nr. 28 des Württembergischen Roten Kreuzes. Die Sitzungen mussten in Gasthäu- sern abgehalten werden. Weil Geld gebraucht wurde, wurden aktiv Spen- den gesammelt. Die ersten Transporte wurden mit dem Handtransportwagen durchgeführt. Erst 1923 konnte ein motorisierter Krankentransportwagen angeschafft werden. Die Laupheimer hatten, wie andere Bereitschaften, Übungen und Treffen mit anderen Ko- lonnen. Sehr schön wird die Teilnahme an der Geburtstagsfeier im Gasthaus „Pflug“ in Laupheim für den König von Württemberg beschrieben. Eine große Herausforderung für die Ko- lonne war die Hochwasserkatastrophe 1926. Nach dem Ersten Weltkrieg standen der Sanitätsdienst, Übungen und Veranstal- tungen im Vordergrund. Die Kolonne nahm am 40-jährigen Bestehen des DRK Biberach teil. Ne- ben den üblichen Festberichten ist ein der Zeit entsprechender Ausspruch augenzwinkernd erwähnenswert: „Manch zartes Mägdelein mit rosiger Wang‘, brachte ihre Blümelein an den Mann.“ (Protokoll vom 20.5.1927) 1933 fand eine große Kreisübung mit dem DRK Riedlingen auf dem Bussen statt. Von der Zeit der Machtergreifung bis zum Ausbruch des Zweiten Welt-

47 Der Krankentransport und der Rettungs- dienst existieren in Laupheim seit den 50er-Jahren. Das Jugendrotkreuz wur- de 1971 gegründet. kriegs fehlen jegliche Aufzeichnungen. 1936 berichtete die lokale Zeitung dar- über, dass aus der Kolonne Laupheim ein selbstständiger Sanitätszug gebil- det wurde. Die Dienstbarmachung für den Krieg hatte begonnen. 1935 wurde eine weibliche Bereitschaft gegründet. Während des Krieges fand eine enge Zusammenarbeit mit Biberach statt, um Verwundete zu versorgen, sie aus den Lazarettzügen in die Lazarette Biberach, Laupheim und ins Jordanbad Biber ach zu transportieren. Am Kriegsende herrschten Not und Ein- schränkungen auch in der Rotkreuzar- beit. Durch Mangel an Benzin und Reifen wurden Krankentransporte mit Pferden durchgeführt. Nach der Wie- dergründung wurden die Dienstabende wieder aufgenommen und neben den Sanitätsdiensten regelmäßig Erste-Hil- fe-Kurse, Krankenpflegekurse und Blut- spenden durchgeführt.

Laupheim feiert im Sommer jährlich ein Kinder- und Heimatfest mit viel Aufwand und einem großen Bedarf an DRK-Helfern. Auch in Laupheim sind die Aufgaben der Bereitschaft ähnlich wie in anderen Be- reitschaften. 48 Die Unentwegten Erreichbarkeit im Bereitschafts- und Rettungsdienst der 50er- und 60er-Jahre: Da nicht alle einen Telefonanschluss hatten, wurde notfalls eben die Nach- barschaft alarmiert und musste auch mal mit zum Einsatz. Der Nachbar mit Telefon rief über den Gartenzaun „Te- lefon“ und bereits dieser Ruf war schon das Einsatzzeichen. (So beschrieben in: Die Unentwegten, Eine Familienge- schichte. Autorin: Miriam Eberhard, er- schienen bei Klöpfer und Meyer 2010). Ähnlich lief die „Alarmierung“ in anderen Orten zu dieser Zeit. 2011 war die 100-Jahr-Feier des DRK Laupheim, verbunden mit einem großen Blutspende-Einsatz.

49 Buchau Gründung der Sanitätskolonne Buchau am 17. Juli 1925, veranlasst von Stadt- schultheiß Gnann, in Zusammenarbeit mit der Kolonne Ravensburg. Davor existierte noch eine Sanitätsgruppe als Anhängsel der Feuerwehr Buchau, bereits gegründet 1907, jedoch nicht als selbst- ständige Kolonne. Moritz Vierfelder, ein Buchauer Jude, war der erste Kolonnen- führer. Auch hier war der Ablauf der Übungen ähnlich wie in anderen Orten. Übungen, Ausbildung, aber auch Kameradschaft waren das Prägende dieser Zeit. Sehr wichtig war das bereits damals voraus- schauende Verhalten insbesondere von Moritz Vierfelder. Um eine schlagkräfti- ge Kolonne zu haben, dehnte man die Kolonne auch auf die Außenorte um den Federsee aus. Die Orte erhielten so- genannte Außenstellen mit ein bis drei Personen, Verbandskasten und Tragen. Die Bedeutung dieser Außenstellen und deren Notwendigkeit wurde schnell klar. Exemplarisch sind an der Buchauer Ent- wicklung die Veränderungen durch die NS-Zeit zu erkennen: 1934 wurde Moritz Vierfelder in einen achtwöchigen Erho- lungsurlaub geschickt. Tatsächlich war dies sein Ende als Kolonnenführer. Dies führte zu Unruhen. Eugen Stocker aus Buchau berichtet in diesem Zusammenhang über einen Be- such des damaligen Kreiskolonnenfüh- rers, der die Kolonne Buchau zur Räson bringen sollte – mit mäßigem Erfolg. Die Mitglieder der Kolonne waren sich wohl bewusst, was der angebliche Erholungs- urlaub von Moritz Vierfelder bedeutete. Der Riss in der Kolonne muss demnach massiv gewesen sein. Eugen Stocker sprach von einem „Zerfall“, was sich in

50 den Protokollen spiegelte, die nur noch Rechnungen etc. enthielten und alle mit „Heil Hitler“ unterschrieben waren. Ab 1935 wurde das Protokollbuch nicht mehr weitergeführt. Das hatte mit der Eingliede- rung des DRK in die NSDAP zu tun. Über- gangskolonnenführer war Max Heitele. Die Kolonnen Riedlingen und Buchau wurden zusammengelegt. Der Riedlinger Kolonnenführer Häring wurde Führer bei- der Kolonnen. Moritz Vierfelder emigrier- te in die USA und starb dort 1961. Doch das Vereinsleben kam nicht alleine wegen des Krieges zum Erliegen, son- dern auch aufgrund dessen, dass die Kolonnen in der NSDAP aufgegangen waren und ihre Selbstständigkeit verlo- ren hatten. Die Arbeit der Kolonne bestand aus der Lazarettarbeit der Frauen und dem Ent- laden der Züge, eine Schwerstarbeit, die ebenfalls meist von Frauen geleistet wurde, da die Männer im Krieg waren. Auch hier in Buchau kam es zur Wieder- gründung nach Ende des Krieges 1948, als die Franzosen als Besatzungsmacht es wieder zuließen und die Rotkreuzar- beit begann wieder mit großem Elan. Fritz Binder und Hugo Geray waren die Männer der ersten Stunde. Ausbildung und Blutspenden waren und sind wichtige Teile der heutigen Bereit- schaft Bad Buchau. Willy Bürker hatte daran großen Anteil. Er war Nachfolger des 1973 verstorbenen Hugo Geray. Unter Wolfgang Briem erreichte die Be- reitschaft Bad Buchau große Populari- tät. Die Bereitschaft Bad Buchau sorgte bei vielen Festen fürs leibliche Wohl. Zudem trieb Wolfgang Briem umsichtig anstehende Bauvorhaben voran, zu- sammen mit Alfons Herrmann. Hierzu

gehörten auch Geländebereinigungen mit dem Rabbinat in Stuttgart. 1996 wurde das Jugendrotkreuz ge- gründet. 51 Der spätere Kolonnenarzt und Bereit- schaftsarzt Dr. Delabar schildert in der Buchauer Chronik zum 75. Jahrestag die düsteren Tage am Kriegsende, Schieße- reien im Seelenwald, Vergewaltigungen in Bad Buchau wie auch in anderen Ge- meinden und die Stimmung der Angst. Durch die Kreisreform in Baden-Würt- temberg und die Auflösung des Kreises Saulgau kamen die Bereitschaften Ried- lingen und Buchau 1972 zu Biberach. Besonders hervorzuheben ist die Buchau- er Behindertenarbeit mit Festen, Ausflü- gen, Unterhaltungen wie mit Max Bohnen- berger und seiner Schwester. In Buchau gab es zudem Schwesternhelferinnen, die von Dr. Georg Ladenburger ausgebildet wurden und ihm unterstanden. Diese Frau- en taten Dienst im Krankenhaus Buchau.

52 Schussenried Seit 1925 besteht die Sanitätsbereit- schaft des Roten Kreuzes, die von Me- dizinalrat Dr. Weinland gegründet wurde. 1951 nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zur Wiedergründung. Über die Haupt- versammlung 1952 wurde in der Zeitung berichtet. Es wurde die Freude darüber betont, dass die Neugründung geglückt war. Mit dabei war auch Georg Fischer, seit 1922 im DRK und Gründungsmit- glied der Sanitätskolonne Weingarten. Seit 1932 bei der Bereitschaft Schus- senried, wurde er 1969 zum Ehrenkreis- bereitschaftsleiter ernannt. Hervorzuhe- ben sind seine unermüdliche Tätigkeit als Ausbilder und sein Einsatz dafür, dass in Schussenried ein „Sanka“ statio- niert wurde. Im sogenannten Jugoslawienkrieg orga- nisierte die Bereitschaft Bad Schussen- ried gemeinsam mit dem Kreisverband Nürtingen die erste Hilfsaktion für Duga Resa in Kroatien.

53 Riedlingen Die Geschichte des Deutschen Roten Kreuzes in Riedlingen begann nicht erst mit der offiziellen Gründung 1926, son- dern schon 1870 im August. Über die- sen Sanitätsverein berichtete die lokale Tageszeitung bereits 1870. Gesammelt wurden Geld- und Sachspenden, so zum Beipiel 2311 Hemden und 989 Paar wollene Socken. Nach Beendigung des Krieges 1870/71 wurde dieser Sanitätsverein wieder aufge- löst. Man war der Meinung, nun nach dem Krieg keine Arbeit mehr zu haben. Für zivile Aufgaben war man noch nicht vorbereitet. 1907 wurde der Frauenverein für die Deutschen in den Kolonien in Riedlingen gegründet. Dieser Frauenverein, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Rotkreuzschwestern in den deutschen Kolonien zu unterstützen, bestand bis 1921. Schriftliche Dokumente über Aktivitäten im Ersten Weltkrieg sind spärlich. Eine Ausnahme stellen lediglich die Liebes- gabensammlungen zugunsten des Ro- ten Kreuzes dar. Diese sind dokumen- tiert: 148 Pfund Butter, die teilweise beim Halt des Lazarettzuges H, der auf seiner 50. Fahrt in Riedlingen hielt, mit- gegeben wurden. Die Tagebuchaufzeichnungen der aus stammenden Rotkreuz- Riedlingen schwester Lili Brand sind zusammen mit den Bildern der Lazarettzüge ein bewegendes Beispiel jener Zeit. Die Ge- nauigkeit der Darstellung, aber auch die Betroffenheit der jungen Frau machen dieses Tagebuch zu einem außerge- wöhnlichen Zeugnis. Die eigentliche Gründung des DRK in Riedlingen erfolgte am 27. November 1926 als freiwillige Sanitätskolonne Nr. 57 des Württembergischen Roten Kreuzes.

54 Einen Platz für das Material des neuen Vereins zu finden, war offenbar schwierig. Der Stadtrat schlug den Raum vor, in dem der Leichenwagen untergebracht war. Es wurde dann jedoch eine solch unmittelbare Nähe von DRK und Lei- chenwagen als etwas ungünstig in der Außenwirkung erachtet und der Leichen- wagen wurde anderweitig untergebracht. Die Eintragungen in den Protokollbü- chern berichten von einem regen Ver- einsleben, Respekt und Freude an der Arbeit. Die Ausbildung wurde sehr ernst genommen. 1928 stellte die Übung am Vogelberg in Riedlingen eine erste Prüfung für die Kolonne dar, welche mit Bravour gemeistert wurde. Bei dieser Übung erhielt Stadtschultheiß Kilian Fischer, der lang- jährige Bürgermeister der Stadt Riedlin- gen, das Ehrenkreuz des Roten Kreuzes. empathisch im Protokollbuch heißt, führte DRK-Mitglieder aus Biberach, Riedlingen, Schussenried, Buchau und Saulgau zusammen. Übungsannahme war ein schwerer Sturm mit vielen Ver- letzten, die es zu bergen und zu versor- gen galt. Wie präsent der Rotkreuzge- danke schon zu jener Zeit überall war, zeigte sich in der Anwesenheit vieler Zuschauer auf dem Bussen. Erste Anzeichen politischer und gesell- schaftlicher Veränderungen zeigt sich in der veränderten Sprache in den Proto- kollbüchern. So wurde beispielsweise mit „Heil Hitler“ unterschrieben und nicht mehr, wie bis dahin üblich, mit „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.“ 1937 war die Eingliederung in die NSDAP vollzo- gen. Von 1939 bis 1945 sind die Proto- kollbücher geschlossen. Eine große Übung am Bussen, der „Metropole Oberschwabens“, wie es In einem persönlichen Brief wendet sich Margarete Essig 1948 an Bürgermeister

55 Kilian Fischer mit der Bitte um Wieder- gründung des DRK. In den französi- schen Besatzungszonen war das DRK aufgelöst, wurde allerdings dann wieder zugelassen. Es folgte 1950 die formelle Wiedergründung des DRK Riedlingen als eingetragener Verein. Die Aufbau- jahre sind eng mit dem Namen Kurt Rei- ter verbunden. Die prägenden Namen der 70er- und 80er-Jahre sind Franz App, Fritz Dobler und Margarete Essig. Auch hier sind die Strukturen ähnlich wie in anderen Bereitschaften und Orts- verbänden. Sie unterscheiden sich, wie es nicht anders sein könnte, hauptsäch- lich durch die Menschen, die dort arbei- ten und sich einbringen. 2006, nach lan- gen Jahren des Wanderns, wurde das neue DRK-Zentrum gebaut. Das DRK war zuerst in der Riedlinger Innenstadt untergebracht, dann im Gymnasium, später im Konrad-Manopp-Haus und bis 1978 im ehemaligen Entbindungsheim des Krankenhauses. Mit viel Eigenleis- tung und Engagement wurden ein Lehr- raum, ein Büro und kleine Abstellräume eingerichtet. Der Rettungsdienst wurde ein Stockwerk tiefer im selben Gebäude untergebracht. Der Katastrophenschutz bekam ein ei- genes Gebäude im Industriegebiet Man- cherloch. Dieses Gebäude wurde dann im Rahmen des Neubaus verkauft. Jetzt sind alle Abteilungen in einem Gebäude untergebracht. 2016 wurde das 90-jährige Bestehen in Riedlingen im Rahmen einer großen Festveranstaltung mit Gottesdienst, Fa- ckelzug, Festessen und Bilderschauen gefeiert. Zu den Tätigkeiten in der Bereitschaft gehören Sanitätsdienste, Übungen, Ka- tastrophenschutz, Jugendrotkreuzarbeit und Ausbildung. Die Ausbildung greift,

Wiedergründung und Neubeginn 57 Neuere Gründungen nach dem Zweiten Weltkrieg Ochsenhausen Die Bereitschaft Ochsenhausen wurde 1953 gegründet. Aus den vorliegenden Unterlagen geht hervor, dass aus der Bereitschaft Ochsenhausen heraus die Bereitschaften Füramoos, heute Eber- hardzell, Erolzheim und Rot an der Rot gegründet wurden, die bis dahin als Züge von Ochsenhausen existierten. Als wichtige Gründer für Ochsenhausen wurden die Ärzte Dr. Schröwel und Dr. Keller genannt, ebenso Hubert Mayer. Früh gab es schon Blutspenden, Aus- bildungen, Dienste für Behinderte und allgemeine Sanitätsdienste. In den Jah- ren 1976 bis 1978 kam es aufgrund be- reitschaftsinterner Zerwürfnisse beinahe zum Zerfall der Bereitschaft Ochsenhau- sen. 1979 wurde die Bereitschaft durch Manfred Volk „wiederbelebt“. Der Rettungsdienst in Ochsenhausen wurde vor allem durch Hubert Mayer geprägt, dieser war in den 80er-Jahren lange Zeit der einzige hauptamtliche Rettungssanitäter. Eberhardzell-Füramoos Hier liegen zwei verschiedene Gründungs- daten vor, da Eberhardzell sich aus der Be- reitschaft Ochsenhausen entwickelte. Als offizielles Gründungsjahr als selbstständi- ge Bereitschaft gilt 1978. Zu diesem Zeit- punkt trennte sich auch der Zug Erolzheim aus der Bereitschaft Ochsenhausen. 1969 fand sich eine Gruppe, die unter Jo- sef Mehre aus Biberach einen Sanitäts-

58 kurs durchführte. Die Mitglieder dieses Kurses blieben bei der Bereitschaft Och- senhausen als Zug Füramoos. Zugführer war Meinrad Schöllhorn. 1974 folgte die Auflösung, 1975 ein Neu- beginn mit Ochsenhausen und schließ- lich 1978 die Aufteilung der Bereitschaft Ochsenhausen in die drei Bereitschaf- ten Ochsenhausen, Eberhardzell-Füra- moos und Erolzheim. Die Arbeit gleicht der in anderen Bereit- schaften: Sanitätsdienste, Blutspenden, Behindertenarbeit – insbesondere durch Fanny und Bernhard Kramer – Kame- radschaftspflege, Ausflüge usw. Schwendi Die Gründung dieser Bereitschaft war 1970, erster Bereitschaftsleiter war Ray- mond Schönacker, stellvertretender Be- reichsleiter war Karl Högerle. Zu den besonderen Aktivitäten zählen der Austausch mit dem Französischen Roten Kreuz Phalsbourg/Lothringen. 1972 spendete die Firma Weishaupt ei- nen Sanitätswagen. Die Arbeiten sind dieselben wie in anderen Bereitschaften: Blutspenden, Dienstabende, Übungen, Fortbildung, dazu kommen die Arbeit mit Menschen mit Behinderung und das eh- renamtliche Engagement an der Klinik Dietenbronn. Mehrere Rotkreuzhochzei- ten werden erwähnt. 1993 siedelte die Bereitschaft aus dem bisherigen Heim in zwei Notcontainer über. Neubau und Umzug ins neue DRK-Heim war 2001.

59 Rot an der Rot Rot an der Rot entwickelte sich aus der Bereitschaft Ochsenhausen und gründete sich als selbstständige Bereitschaft 1976. Erster Bereitschaftsführer war Fridolin Kolb, erste Bereitschaftsleiterin war Minna Berg. Zunächst war die Bereitschaft im ehemaligen Rathaus untergebracht. Früh begannen die Aktivitäten, die allen Bereit- schaften ähnlich sind: Sanitätsdienste, Ret- tungsdienst, Kleidersammlungen, Teilnah- me an Leistungsvergleichen, Zeltlager, SEG-Einsätze. 2000 war die Gründung eines Jugendrotkreuzes. Hervorzuheben sind die Aktivitäten der Bereitschaft in Duga Resa im Jugoslawien- krieg, Krankentransport nach Rumänien, Unterstützung bei der Versorgung der Men- schen 1989 nach der Grenzöffnung. Diese hier nur kurz erwähnten Aktivitäten werden an anderer Stelle genauer beschrieben. 2016 machte die Bereitschaft Rot an der Rot eine große Reise nach Genf und Umgebung und besuchte die Geburts- stätte Henry Dunants. Ummendorf Gegründet wurde die Bereitschaft Um- mendorf am 12. Mai 1977. Zum ersten Bereitschaftsleiter wurde Ludwig Kiefer gewählt. Der erste Aktion war im Herbst 1977 eine große Altkleidersammlung. Im Weiteren ist die Rotkreuzarbeit ähnlich der in allen Bereitschaften mit Sanitätsdiensten, Blut- spenden, Ausbildung und Jugendarbeit. 1989 engagiert sich die Bereitschaft Ummendorf zusammen mit Biberach in der Betreuung der Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR.

60 1995 bekommt auch die Bereitschaft Ummendorf eine eigene Unterkunft. Seit 1994 gibt es in Ummendorf auch ein Jugendrotkreuz. Dokumentiert sind ein- zelne Auszüge aus Jugendzeitschriften mit viel Witz, aber auch mit sachlichen Berichten über die Arbeit aus den Jah- ren 1994 und 1995. Schemmerhofen Der DRK-Zug Schemmerhofen gehörte bis 1978 zur Bereitschaft Biberach. Als die Zugstärke über 30 Mitglieder betrug, stimmte der Kreisverband der Gründung einer eigenen Bereitschaft zu. Diese hat das offizielle Gründungsdatum vom 1. April 1978. Erster Bereitschaftsleiter war Manfred Volk, der wesentlich am Aufbau der Bereitschaft beteiligt war.

62 Die Struktur der DRK-Ortsvereine Die Ortsvereine gehören dem Kreisver- band an. Sie werden geleitet von einem Vorsitzenden, einem Stellvertreter, ei- nem Kassier, einem Schriftführer sowie einem Arzt. Die Bereitschaft wird von einem Bereitschaftsleiter und dessen Stellvertreter geleitet. Dazu gehören zudem Katastrophenschutzbeauftrag- ter und Sozialleiter. Bei der Sozialarbeit gliedern sich die Behindertenarbeit, die Migrationsarbeit sowie die weiterführen- den Hilfen an. Das Jugendrotkreuz ist eine eigenstän- dige Abteilung mit eigener Satzung und Sitz im Vorstand. Besonders große Be- deutung gewinnt die Jugendrotkreuzar- beit durch die Verknüpfung mit den Schulen und der Ausbildung von Kin- dern zu Schulsanitätern. Ebenso sind Wasserwacht und Tafelläden eigenstän- dige Gemeinschaften, jedoch mit dersel- ben Satzung. Hochgeschätzt ist die Arbeit der älteren Mitglieder, die nicht mehr zu den regu- lären Dienstabenden kommen. Sie brin- gen auch weiterhin ihre Erfahrung, Erin- nerung und Mithilfe ein, beispielsweise bei Blutspendeaktionen. Die gesamte Arbeit in den Ortsverei- nen ist von den Grundsätzen des Ro- ten Kreuzes getragen: Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhän- gigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Uni- versalität. Diese Grundsätze sind bei allen Ent- scheidungen maßgeblich. Gerade auch in heutiger Zeit ist es wichtig, sich dieser Grundsätze zu erinnern, insbesondere bei kriegerischen Auseinandersetzun-

63 gen wie beispielsweise in den vergan- genen Jahren im Nahen Osten. Menschlichkeit bedeutet zuallererst, Le- ben und Gesundheit zu schützen, Lei- den zu verhindern, den Menschen Ach- tung zu verschaffen. Unparteilichkeit bedeutet, es wird kein Unterschied gemacht nach Staatsange- hörigkeit, Rasse und Religion. Neutralität bedeutet, das Rote Kreuz enthält sich der Teilnahme an allen Feindseligkeiten. Das Rote Kreuz ist unabhängig, stets freiwillig. Einheit und Universalität be- deuten: Es gibt nur ein Rotes Kreuz in einem Land, das Rote Kreuz ist auf der ganzen Welt verbreitet. Der Journalist Robert Dempfer be- schreibt in seinem 2009 erschienenen Buch „Das Rote Kreuz, von Helden im Rampenlicht und diskreten Helfern“ die Sinnhaftigkeit der Rotkreuzidee in einer utopiefreien Welt. Er wagt die besonde- re These, dass nicht die Person des Hel- fers zählt in der Sicht des Roten Kreu- zes, sondern die Tat selbst. In seinem Buch beschreibt er dennoch gerade Menschen, die helfend gute Taten voll- bracht haben. Robert Dempfer sagt auch klar, das Rote Kreuz komme immer erst, wenn schon etwas geschehen sei. Das Rote Kreuz verhindere keinen Krieg, es sei keine pazifistische Organisation, es lindere nur die Leiden der Menschen im Krieg. Die Leitungsstrukturen sind in der Sat- zung festgelegt. Das Rote Kreuz ist ein Verein, das heißt, der äußere Rahmen – die Vorstandschaft, die Bereitschaft mit Untergliederungen wie Altersgruppen, Blutspendehelfer und Jugendrotkreuz – ist hierin festgelegt. Die Satzungen

64 regeln das Miteinander, den Aufgaben- bereich und die Zuständigkeiten. Die originären Bereitschaftsaufgaben sind meist Sanitätsdienste bei vielfältigen Anlässen, Betreuungsdienste, Blutspen- den, Ausbildung. Blutspenden und Be- treuungsdienste werden von den Be- reitschaften organisiert. Die Ausbildung gehört zu den eigenständigen Aufgaben der Bereitschaften und wird selbststän- dig ausgeführt, mit eigener Abrechnung. Schon Suchdienste und Tafelläden oder Hausnotruf sind Sache der übergeord- neten Stelle, also des Kreisverbandes, ebenso „Essen auf Rädern“. Eine wei- tere wichtige Aufgabe ist der Katastro- phenschutz ebenso wie die Behinder- tenarbeit, die zu jedem Kreisverband gehört. Welche Tätigkeiten sich zusätzlich zu den üblichen Aufgaben entwickelt ha- ben, mag mit der Entwicklung, den Vor- lieben, der Zusammensetzung der Be- reitschaft zu erklären sein. Finanziell sind die Ortsvereine und Bereitschaften dem Kreisverband un- terstellt. Ein jährliches Budget wird be- reitgestellt. Eigene Einnahmen sind in kleinem Maße möglich und für die eige- nen Bedürfnisse bestimmt. Den Bereit- schaften schließt sich der Kreisverband an, danach der Landesverband und der Bundesverband als übergeordnete Ins- titutionen.

65 Der Kreisverband Der DRK-Kreisverband Biberach wurde mutmaßlich 1887 gegründet. Belastba- re Dokumente dazu fehlen jedoch. Im Diensttagebuch der Bereitschaft und des Kreisverbandes Biberach wird lediglich darauf hingewiesen, dass zwischen 1918 und 1938 keine Einträge vorhanden sind. Nach der Machtergreifung Hitlers und der sogenannten Gleichschaltung wur- de der Kreisverband Biberach am 26. Februar 1949 wiedergegründet unter dem Namen „Kreisverband Biberach an der Riß des Roten Kreuzes Württem- berg-Hohenzollern“. Der von den Vertretern der Besatzungs- mächte eingesetzte Fabrikant Guido Schmitz setzte sich in bewundernswerter Weise von 1945 bis 1952 für das DRK ein. Ihm folgte Alois Ott, der von 1952 bis 1957 wirkte und unter dessen Leitung wieder eine gewisse Normalität einzog nach den Kriegswirren. Im Diensttagebuch wird hier über viele Aktivitäten berichtet, insbeson- dere Erste-Hilfe-Kurse, Schwesternaus- bildungen, Arztvorträge, Sanitätskurse, Übungen, aber auch geselliges Beisam- mensein. Enge Verbindungen bestanden zu Schussenried und Laupheim. Viele Kurse fanden gemeinsam statt. Eine besondere Rolle kam Sparkassen- direktor Christian Zahn zu. Er ermöglich- te, dass die Sparkasse die Rotkreuzar- beit unterstützte. In einem Bericht zum 100-jährigen Bestehen der Bereitschaft Biberach wird erwähnt, die Sparkasse habe nach dem Krieg zeitweise wie eine „Heimkehrertreffstelle“ ausgesehen. Erster Kreisvorsitzender des DRK-Kreis- verbandes war Sparkassendirektor Christian Zahn bis 1970. Ihm folgte Herr- mann Kniehl von 1970 bis 1973, auch er war Sparkassendirektor.

66 Der damalige Landrat Wilfried Steuer, Landrat des nach der Kreisreform verän- derten Landkreises Biberach, übernahm dieses Amt 1973 und behielt es bis 1992. Sein Nachfolger als Landrat, Peter Schnei- der, ist seit 1992 bis heute Erster Vorsit- zender des Kreisverbandes Biberach. In den Jahren nach 1973 begann eine rege Bautätigkeit. Durch die Entwick- lung des Rettungsdienstes und die Zu- nahme der Aufgaben wurden mehr Per- sonal und somit größere Räumlichkeiten notwendig. Neue Planungen mit dem Landratsamt veränderten die Situation. Die Rettungs- leitstelle wurde 1984 im Krankenhaus Biberach untergebracht, wo sie bis 1999 blieb. Die Jahre zwischen 1970 und 1980 brachten mehrere Neugründungen von Bereitschaften, 1976 Rot an der Rot und 1978 nacheinander Schemmerho- fen, Eberhardzell und Erolzheim. Besondere Veränderungen erfuhr der Rettungsdienst. Bis etwa 1974 war der Rettungsdienst kreisweit durch ehren- amtliche Mitarbeiter geprägt. Danach wurden mehr und mehr hauptamtliche Mitarbeiter eingestellt. Das DRK wurde im Rahmen dieser Entwicklung, die nicht nur in Biberach einen raschen Verlauf nahm, zum Arbeitgeber für hauptamtli- che Mitarbeiter. 1974 waren Max Ott in Riedlingen und Otto Schmidt in Biberach die ersten hauptamtlichen Angestellten im Rettungsdienst. Alle diese Veränderungen fielen in die Zeit von Anton Föhr als Kreisgeschäfts- führer, der dieses Amt bis 1991 innehat- te. Der Vorgänger von Anton Föhr war Hans Schneider. Ihm sollte Georg Irmler folgen, der jedoch bereits nach zwei Ta- gen seine Tätigkeit wieder beendete. Es tat sich also viel in jenen Jahren, wobei die Neuorganisation und Weiter-

Neuorganisation und Weiterentwicklung 67 entwicklung des Rettungsdienstes am dringlichsten waren. Nicht zu vernachlässigen waren und sind auch die anderen Aufgaben und Bereiche: Beschaffung neuer Fahrzeuge, Bautätig- keit in Riedlingen, Bad Schussenried, Ochsenhausen usw. Die Sozialarbeit wur- de erweitert, Behindertenfahrten wurden eingeführt. Essen auf Rädern und der Hausnotruf waren weitere Neuerungen der Sozialarbeit. Politische Veränderun- gen während der 80er-Jahre machten große Hilfseinsätze notwendig. Diese führten nach Rumänien und ins heutige Kroatien, wohin große Mengen an Hilfs- gütern transportiert wurden. 1991 kam es zu einem Eklat beim Ret- tungsdienst, als neun Rettungssanitäter kündigten. Verärgert und frustriert über die äußeren Bedingungen. Bei diesen Ausein andersetzungen ging es haupt- sächlich um die Arbeitszeit und die Be- setzung von Stellen. Der Nachfolger von Anton Föhr, Manfred Ebel, blieb nur bis 1994 Geschäftsführer. Auf ihn folgte Ro- land Prinz von 1994 bis 2015. Zu erwähnen ist an dieser Stelle, dass der Landkreis sich in einer einschnei- denden Maßnahme von seinen Kliniken trennte und diese veräußerte, mit nur noch einem geringen Eigenanteil. Dies sollte fast das Ende der Leitstelle Biber- ach bedeuten. Der DRK-Kreisverband wehrte sich vehement gegen eine Schlie- ßung bzw. Verlagerung der Leitstelle an einen anderen Standort. Dies verhinderte insbesondere der Erste Vorsitzende, Pe- ter Schneider, durch seinen engagierten Einsatz für die Leitstelle Biberach. Derzeit hat der Kreisverband eine Dop- pelspitze mit Verteilung der Aufgaben. Peter Haug und Michael Mutschler sind gleichberechtigte Geschäftsführer mit verschiedener Aufgabenstellung. Finan-

68 ziell ist der Kreisverband gesund. Jedoch gehören Sparen, Abwägen und zähe Verhandlungen mit den Kostenträgern und dem Betriebsrat zur Tagesordnung. Eine bedeutende Rolle für den Kreisver- band hat der Erste Vorsitzende, Peter Schneider, ehemals Landrat des Kreises Biberach, langjähriger Landtagsabge- ordneter der CDU für den Wahlkreis Bi- berach, derzeit Sparkassenpräsident in Stuttgart. Durch Umsicht, Weitsicht und kluges Wirtschaften ist der DRK-Kreis- verband Biberach ein stabiler Kreisver- band mit soliden Finanzen. Schussenried. Auch benötigt der Ortsver- ein Rot an der Rot eine neue Unterkunft. Die Aufgaben des Kreisverbandes sind in der Satzung festgelegt. Diese um- fangreiche Satzung wurde 2016 erneu- ert und mit dem DRK-Landesverband Baden-Württemberg abgestimmt. Zum Kreisverband gehören die Bereit- schaften und Ortsvereine, die DRK-Mit- glieder und Ehrenmitglieder. Aber auch die Wasserwacht und die Bergwacht sind ebenso Mitglieder wie das Jugend- rotkreuz. In naher Zukunft stehen bedeutende Bauvorhaben an, teilweise in unmittel- barer räumlicher Nähe zum Klinikneubau in Biberach, teils aber auch schon von langer Hand geplant wie beispielsweise der Bau der Rettungswachen in Ochsen- hausen, Erolzheim und Biberach sowie die Sanierung der Rettungswache Bad Das DRK-Präsidium regelt die Finan- zen, die Investitionen, das Miteinander, die Rechtslage, ist Arbeitgeber für alle hauptamtlichen Mitarbeiter. Wichtigste Aufgabe im Sinne des DRK ist die Für- sorge für den Nächsten. Dazu gehören neben den Bereitschaftsaufgaben und dem Rettungsdienst in zunehmendem

69 Maße auch die sozialen Dienste wie Hausnotruf, Essen auf Rädern, die Ta- felläden, aber auch Kleidersammlun- gen. Auch die Wasserwacht ist dem DRK-Kreisverband angegliedert. Im Kreis Biberach ist das DRK der größ- te Verein mit derzeit 630 ehrenamtlich aktiven Helferinnen und Helfern. Wei- tere 215 Personen unterstützen den DRK-Kreisverband Biberach im Rah- men des Arbeitskreises Sozialarbeit. Zudem engagieren sich insgesamt 98 freiwillige Helferinnen und Helfer in den Tafeln Biberach, Bad Schussenried und Riedlingen. Das Jugendrotkreuz zähl- te zum Ende des vergangenen Jahres 196 Kinder und Jugendliche. Stand 31. Dezember 2017 förderten insgesamt 13 985 passive Mitglieder die Arbeit des DRK-Kreisverbandes Biberach finanziell. An der Spitze des Kreisverbandes ste- hen der Kreisvorstand Peter Schneider sowie zwei gleichberechtigte Stellvertre- ter, laut Satzung immer eine Frau und ein Mann. Dies sind derzeit Dr. Christa Enderle und Dr. Ralf Rothenbacher. Für die Finanzen ist Ralf Hirschle zu- ständig. Justiziar ist Rechtsanwalt Martin Glöggler, Biberach. Bis Anfang Juli 2019 war Frank Netzer Kreisbereitschaftsleiter. Im Rahmen der DRK-Kreisversammlung übernahm Franz-Karl Moder diese Auf- gabe. Peggy Schirmer-Schmid ist Kreis- bereitschaftsleiterin. Sie ist zudem die erste Landesbereitschaftsdirektorin, die aus dem Kreisverband Biberach stammt. Gewählt wurde sie im Juli 2018. Soziallei- terin des DRK-Kreisverbandes ist Conny Weber. Kreisverbandsarzt ist Dr. Chris- topher Maier. Schriftführerin ist Claudia Steinhilber. Dazu gesellen sich noch für das Jugendrotkreuz Jessica Dolderer und die gewählten Beisitzer Frank Netzer, Jörg Habermann, Ralf Spieler, Alexander Schirmer und Thomas Schilling.

70 Die Mitglieder des Kreisvorstandes sind für vier Jahre gewählt. Der Kreisvor- stand ist der jährlichen Kreisversamm- lung Rechenschaft schuldig. Derzeit gehören zum Kreisverband zwölf Bereitschaften, alle Ortsvereine mit den Aufgaben des Roten Kreuzes wie Sani- tätsdienste, Blutspenden, Sozialarbeit, Behindertenarbeit, Jugendrotkreuz, Klei- dersammlung und Katastrophenschutz. Der Katastrophenschutz ist dem Bund und dem Landkreis unterstellt, wird je- doch auch vom DRK getragen. Außergewöhnliche Persönlichkeiten Moritz Vierfelder, 1877–1961 Moritz Vierfelder war der erste Ko- lonnenführer der Kolonne Buchau. Er war Konditor, Cafehausbesitzer, flei- ßig und umtriebig, zugleich sehr um- sichtig. Moritz Vierfelder war Jude und als solcher geachteter Vorsteher der jüdischen Gemeinde Buchau. Er übte das Amt des Kolonnenführers bis 1934 aus, aus politischen Gründen konn- te er dieses Amt danach nicht mehr weiterführen. Es gelang ihm noch, Deutschland rechtzeitig zu verlassen. Er siedelte sich in Youngstown, Ohio an, lebte dort bis zu seinem Tode und blieb den Buchauern weiter eng ver- bunden.

72 Der Rettungsdienst Der öffentlich-rechtliche Rettungsdienst hat die Aufgabe, rund um die Uhr bei medizinischen Notfällen durch den Ein- satz von Fachpersonal rasch und sach- gerecht zu helfen und Leben zu retten. Ende des 19. Jahrhunderts verfügten die meisten deutschen Großstädte über ein organisiertes Krankenbeförderungs- wesen. Die Durchführung erfolgte durch private Vereine, das DRK und die Feu- erwehr. Die Motorisierung der Kranken- beförderung begann nach dem Ersten Weltkrieg. Die Besatzungsmächte über- gaben nach dem Zweiten Weltkrieg die Notfallrettung und Krankenbeförderung an das DRK und private Vereine. Die zunehmende Dichte des Straßen- verkehrs führte zu vermehrten Unfäl- len. In den 60er-Jahren kamen neue Erkenntnisse der Notfallrettung und der Gerätetechnik hinzu. Das bestehende Rettungswesen konnte dies nicht mehr leisten. Es bedurfte großer Anstrengun- gen von Verwaltung, Ärzten und Hilfsor- ganisationen, um schnelle Veränderun- gen zu bewirken. So war es in den 50er-Jahren üblich ge- wesen, nur einen Sanitäter und ein Fahr- zeug zu haben. Bei Einsätzen mussten Angehörige und Freunde helfen. Die Ausstattung der Fahrzeuge ließ sehr zu wünschen übrig. Die zunehmende Sen- sibilisierung der Öffentlichkeit ließ je- doch Veränderungen zu. Der Landkreis Biberach ging hier einen sehr zukunfts- weisenden und weitsichtigen Weg. So wurde die Rettungsleitstelle Biber- ach schon zum 1. Januar 1975 gegrün- det und 1976 als erste Integrierte Leit- stelle für Feuerwehr und Rettungsdienst in Baden-Württemberg weitergeführt.

73 Überlegungen, eine Integrierte Leitstelle zu schaffen, gab es bereits seit 1973/1974. Trä- ger für die Leitstelle war für den Rettungs- dienst der Kreisverband des DRK Biberach, für die Feuerwehr der Landkreis Biberach. Zunächst gab es erhebliche Anfangs- probleme. Zum Beispiel waren die Funk- verbindungen schlecht und die Telefon- kosten hoch. Jedoch waren trotz aller Widrigkeiten die Ergebnisse in Alarmierung und Einsatz- führung gut, was die Einführung dieser gemeinsamen Leitstelle rechtfertigte. 1988 wird der zentrale Notruf 112 für die Feuerwehr und den Rettungsdienst und zur Alarmierung des Notarztes eingeführt. Gemeinsame Entscheidungen, nicht Entscheidungen nebeneinander, waren von Anfang an gefordert. Es wurde mit vier Mitarbeitern begonnen. Dieser sehr dünne Personalschlüssel forderte unge- wöhnliche Entscheidungen. So mussten selbst Angehörige der Verwaltung beim Krankentransport mitarbeiten. Da es da- mals noch keine Funkalarmierung gab, wurde ein Wimpel gut sichtbar ange- bracht. Dieser Wimpel bedeutete: Sofort kommen, Gefahr im Verzug! Die Stei- gerungsstufe war ein viereckiges Tuch, das ebenfalls weithin sichtbar ange- bracht wurde. Dieses Tuch bedeutete: Alarmstufe Rot, alle sind gefordert! 1991 gehörten dann sieben Mitarbeiter zum Stammpersonal, dazu gab es drei Springer. Das Aufgabengebiet wurde je- doch immer größer, sodass bereits da- mals der Ruf nach mehr Personal laut wurde. Forderungen nach mehr Sicher- heit, EDV und Datensicherung waren damals bereits wichtige Themen. Schon 1981 bewies der damalige Leitstellen- leiter Hans-Peter Frank Weitsicht, als er bspw. eine Langzeitdokumentation und

74 die Weiterentwicklung der Leitstelle ein- forderte. Das Berufsbild des Rettungssanitäters, später des Rettungsassistenten, entwi- ckelte sich aus dem Transportsanitäter der 70er- und 80er-Jahre kontinuierlich zu einem heute sehr komplexen Berufs- bild mit ärztlichen Aufgaben. Ein Mangel an Notärzten und ein gene- reller Ärztemangel weist dem rettungs- dienstlichen Personal, das heute über die Qualifikation des Notfallsanitäters verfügt, eine erhebliche Verantwortung zu. Weite Wege sind und waren in einem Flächenlandkreis wie es der Landkreis Biberach ist, immer schon eine große Aufgabe. Um die vorgegebenen gesetz- lichen Hilfsfristen einhalten zu können, müssen u. a. die Alarmierung und das Ausrücken rasch ablaufen. Die durch das Rettungsdienstgesetz vorgegebenen Zeitfenster werden immer enger, eine schnelle Rettung ist sowohl ein An- spruch der Wissenschaft als auch der Gesellschaft. In den ersten Jahren der Rettungsdienste waren diese oft noch selbstständig, so in Laupheim bis 1975, wo die Anschaffung von Fahrzeugen selbstständig erfolgte. Generell kann gesagt werden, dass die Ursprünge des Rettungsdienstes auf den Katastrophenschutz zurückgeführt werden können. Die Leitstelle war bis 1984 im DRK-Gebäude in der Riedlin- ger Straße in Biberach untergebracht, später im Altbau des Krankenhauses Bi- berach und nach dem Neubau dann im jetzigen Gebäude im Rot-Kreuz-Weg. Der bisher letzte Umzug erfolgte am 27. Oktober 1999. Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) be- trieb in den 80er-Jahren eine eigene

75 Rettungswache in Biberach, zog sich aber dann nach Orsenhausen zurück. Private Initiativen wie die Björn-Stei- ger-Stiftung trugen zur Verbesserung der Infrastruktur bei. So wurden bei- spielsweise Notrufsäulen eingerichtet. Auch die bundesweite Einrichtung des Notrufs 112 geht auf die Initiative der Björn-Steiger-Stiftung zurück. 2007/2008 gingen die Männer der ers- ten Stunde des Rettungsdienstes in den Ruhestand. Es waren dies: Otto Schmid, Max Ott, Hans-Peter Frank, Rudolf Jäger. Allen vieren ist gemein- sam, dass sie eine sehr schnelle, fast rasante Entwicklung miterlebt und in ihren verschiedenen jahrzehntelangen Tätigkeiten mitgestaltet haben. Heute findet sich die Integrierte Leitstel- le in Biberach. Die Leitstelle ist 24 Stun- den am Tag zweifach besetzt. In Spit- zenlastzeiten verstärkt seit September 2019 in der Zeit von 8 Uhr bis 16 Uhr ein dritter Disponent. An vier baugleichen Abfrageplätzen kann gleichzeitig gear- beitet werden. Für Großschadens- und Flächenlagen stehen zwei weitere Ab- frageplätze sowie insgesamt vier sog. Ausnahmeabfrageplätze zur Verfügung. Zu den Aufgaben gehören Kranken- transport, Notfalleinsätze mit und ohne ärztliche Begleitung, Vermittlung des Kassenärztlichen Notfalldienstes, Ver- mittlung von Hausnotruf und Essen auf Rädern, Katastrophenschutz sowie Ein- satz bei Großschadensereignissen. Die Weiterleitung und Bearbeitung dieser Notrufe an alle weiteren Organisationen erfolgt von der Leitstelle aus, der Schalt- zentrale der nicht polizeilichen Gefah- renabwehr im Landkreis bzw. Rettungs- dienstbereich Biberach. Träger der Leitstelle Biberach sind der Landkreis Biberach und der DRK-Lan-

76 desverband Baden-Württemberg. Der- zeit sind 17 Disponenten angestellt mit der Qualifikation zum Rettungsassisten- ten oder zum Notfallsanitäter und einer umfangreichen zusätzlichen Qualifika- tion im feuerwehrtechnischen Bereich. Eine ständige Erreichbarkeit über Funk und Telefon ist sichergestellt. Ein Blick auf die Leistungszahlen des Jah- res 2018 lässt die Bedeutung der Integrier- ten Leitstelle Biberach für die Menschen im Landkreis erkennen: 144373 eingehen- de Anrufe, 4417 Notarzteinsätze, 11457 Mal wurde der Rettungswagen gebraucht, 11371 Mal der Krankentransport. Insge- samt wurden durch die Leitstelle Biberach organisationsübergreifend 31273 Einsät- ze an den Rettungsdienst/Krankentrans- port vermittelt. Für den täglichen Einsatz stehen acht Krankentransportfahrzeuge, zwölf Rettungsfahrzeuge und vier Notarzt- einsatzfahrzeuge zur Verfügung. Die Mit- arbeiter arbeiten im Dreischichtbetrieb. Zur großen Freude aller Beteiligten – Kran- kenkassen, DRK und Landkreis – wurde 2018/2019 die Leitstelle während des laufenden Betriebs umgebaut und tech- nisch auf den neuesten Stand gebracht. Die Eigenständigkeit der Leitstelle Biber- ach wurde bei der Einweihung am 21. Mai 2019 mehrfach von den Entscheidungs- trägern betont und der Zusammenlegung von Leitstellen eine Absage erteilt. Eine kleine Anekdote aus den Anfangs- zeiten des Rettungsdienstes: Ein Rettungswagen mit Stuttgarter Kennzeichen war zu einem Notfall ge- schickt worden. Da die Adresse schwer zu finden war, wurde eben gefragt. Der Einsatzort wurde gefunden, doch die Rettungsdienstleute bekamen zusätz- lich eine Erklärung für das Malheur: „Koi Wonder, dass ihr des it fendet, wo ihr doch vo Stuagert send.“

80 Hilfe durch soziale Arbeit Sozialarbeit des DRK-Kreisverbandes Die Sozialarbeit des DRK-Kreisverbandes ist eng verbunden mit Fanny und Benedikt Kramer, die für ihre Tätigkeit im Bereich der Behindertenarbeit 2011 den Ehren- amtspreis des Landkreises Biberach er- hielten, aber auch mit Eva Panitz. Eva Panitz begann ihre Tätigkeit am 1. April 1974, zunächst als Sachbearbei- terin im Suchdienst und für die Famili- enzusammenführung. Aufgaben des Suchdienstes und der Familienzusam- menführung waren die Nachforschung nach Vermissten aus dem Zweiten Welt- krieg und die Zusammenführung von deutschen Volkszugehörigen aus Ost-, Süd-, Mittel- und Südosteuropa. Dazu kamen materielle Hilfen für Bedürftige in Polen, Rumänien und der ehemaligen Sowjetunion. Auch diente diese Stelle als amtliches Auskunftsbüro nach dem Genfer Abkommen. Daraus hat sich die Migrationsarbeit entwickelt, so wie wir sie heute kennen. Derzeit sind in der Migrationsberatung zwei hauptamtliche Sozialarbeiterinnen tätig. Das DRK vermittelte damals auch Mut- ter-Kind-Kuren, Seniorenkuren, es war zu- dem die Zeit der Butterverteilung, um den durch staatliche Eingriffe in die landwirt- schaftliche Produktion in den 70er-Jahren angehäuften „Butterberg“ abzubauen. Die Betreuung von Zivildienstleistenden und die Fortbildung der Schwesternhel- ferinnen gehörte ebenfalls zur Arbeit von Eva Panitz. Die große Welle der Spätaussiedler aus Russland und Polen wurde gleichfalls von hier aus betreut. Ein weiterer Bereich der Sozialarbeit des DRK ist die Arbeit mit Menschen

81 mit Behinderung. Hier engagieren sich bis heute in besonderem Maße Fanny und Benedikt Kramer. Sie unternahmen viele Ausfahrten, Ausflüge, luden ein zu Familienabenden und gestalteten Weih- nachtsfeiern mit Menschen mit Behin- derung. 2011 erhielten sie für ihre Arbeit den Ehrenamtspreis des Landkreises Biberach. Diese Behindertenarbeit, wie sie genannt wurde, war und ist im Kreis- verband angesiedelt. Als besondere Aktion im Bereich der So- zialarbeit ist der Transport von 58 Tonnen Hilfsgüter nach Duga Resa in Kroatien im Jahr 1993 zu nennen, zur Linderung der Not während der Auseinandersetzungen und des Zerfalls des Staates Jugoslawien. Im Jahr 1989 wurden nach dem Mauer- fall rund 500 ehemalige DDR-Bürger wo- chenlang mit großem Auswand betreut. Außergewöhnliche Persönlichkeiten Hertha Nathorff, 1895–1993 Ein berührendes Frauenschicksal, ge- prägt durch die Zeit des Nationalsozia- lismus, soll hier erwähnt werden. Hertha Nathorff war Tochter des Laupheimer Zigarrenfabrikanten Carl Laemmle, stu- dierte Medizin und arbeitete bereits in jungen Jahren im Kinderheim des Roten Kreuzes in Berlin als Ärztin. Nach der Machtergreifung der NSDAP verlor sie alle Ämter. Auch die Zugehörigkeit zu einem Krankenhaus des Roten Kreuzes verschonte sie nicht vor diesem Verlust. Ihr gelang die Emigration in die USA, wo sie verbittert lebte und 1993 starb.

82 Tafelläden Die Idee der Tafelläden stammt aus Amerika. 1963 hatte John van Hen- gel in Phoenix/Arizona ein Lagerhaus für Lebensmittelspenden gegründet. In Deutschland fasste diese Idee erst 1993 Fuß. Allen Tafeln ist gemeinsam, Le- bensmittel, welche nicht mehr verwen- det oder verkauft werden und ansonsten vernichtet würden, an Bedürftige zu ver- teilen. Meist sind die Tafeln im Bundes- verband der Tafeln organisiert oder bei anderen gemeinnützigen Organisationen angesiedelt. Auch der DRK-Kreisverband Biberach ist Träger dreier Tafelläden. Diese wur- den im Rahmen der Sozialarbeit des Kreisverbandes gegründet. Sie sind eine wertvolle Ergänzung der DRK-So- zialarbeit. Die Lebensmittel werden von ehrenamtli- chen Helfern bei den Spendern – Bäcke- reien, Supermärkten usw. – eingesammelt. Die Abgabe der Waren erfolgt kostenlos oder für ein symbolisches Entgelt. Waren es zuerst Obdachlose, danach Bezieher von Hartz IV und von Sozial- hilfe, so sind es jetzt auch Migranten und Asylbewerber, die zum berech- tigten Kundenstamm gehören. Durch Menschen anderen Glaubens sind die Aufgaben noch mannigfaltiger und nicht einfacher geworden. Chronologisch gesehen ist der Biber- acher Tafelladen der älteste, danach folg- te Riedlingen, dann Bad Schussenried. Die Tafelläden sind dem DRK-Kreisver- band angegliedert. Die Mitarbeiter der Tafeln rekrutieren sich aus Menschen, die DRK-Erfahrung haben, aber auch solchen, die nicht im

83 DRK angesiedelt sind. Die Arbeit für die Tafeln ist eine anspruchsvolle Aufgabe, es muss sehr genau auf Hygienevor- schriften geachtet werden. Das Abholen der Waren ist körperlich anstrengend und das Sortieren und Ausgeben sind aufwendige Arbeiten. Tafelladen Biberach Der Tafelladen Biberach wurde 2003 eröffnet. Denn selbst in einer reichen Stadt wie Biberach gibt es Armut. Mög- lich wurde diese Arbeit wie in anderen Tafelläden durch Lebensmittelspenden örtlicher Geschäfte. Gründerin und Leiterin ist Ingrid Gerster. Sie motivierte den ersten DRK-Vorsit- zenden und das Sozialamt des Land- kreises. Zusammen konnten dann Regelungen getroffen werden, die ein unbürokratisches Handeln zuließen. Der Tafelladen ist zweimal in der Woche ge- öffnet. Die Waren sind begehrt, manch- mal reicht das Angebot ob der großen Nachfrage nicht aus, abhängig auch davon, wie viele Lebensmittelspenden zuvor eingesammelt werden konnten. Menschen zu helfen, ihnen Wertschät- zung zu vermitteln, ist eines der großen Anliegen der rund 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Tafelladen. Berechtigt zum Einkauf sind alle Menschen mit ei- nem Berechtigungsausweis. 2014 wurde der Tafelladen Biberach mit dem Ehrenamtspreis ausgezeichnet. Tafelladen Riedlingen Bei der Gründung in Riedlingen im Ok- tober 2007 auf Initiative mehrerer Stadt- räte wird als Initiatorin Helga Pernice genannt. Die evangelische Kirchenge-

84 Tafelladen Bad Schussenried Die Gründung des Tafelladens in Bad Schussenried erfolgte 2009. Einmal in der Woche werden hier Lebensmittel- spenden an Bedürftige ausgegeben. Nach einer durch einen Führungswech- sel bedingten Pause wurde der Betrieb 2016 wieder aufgenommen Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aller Tafelläden ist die Hilfe für bedürfti- ge Menschen oberstes Gebot. meinde und das damalige Pfarrerehe- paar brachten Wissen und Engagement ein. Aktuell wird die Riedlinger Tafel durch den ehemaligen Bürgermeister von Riedlingen, Herrn Hans Petermann geleitet. Der Tafelladen ist zweimal in der Wo- che geöffnet, genießt hohes Ansehen in der Stadt, macht auch immer wieder durch Aktionen auf sich aufmerksam, an denen sich zum Beispiel auch Schulen beteiligen. Ein Kühlfahrzeug ist für den Transport der Waren vorhanden. Einige Auszeichnungen haben die rüh- rigen Helfer schon bekommen, bei- spielsweise den Ehrenamtspreis des Landkreises Biberach. Derzeit tun etwa 35 bis 40 Menschen ihren Dienst am Nächsten im Tafelladen Riedlingen.

85 Ausbau der Sozialarbeit Veränderungen der Lebensumstände und des sozialen Gefüges machen sich auch in den Anforderungen an die Sozialarbeit bemerkbar und lassen das DRK neue Wege gehen. Um den veränderten Anforderungen gerecht zu werden, wurde durch das DRK-Präsi- dium eine neue hauptamtliche Stelle „Leitung der Sozialarbeit“ freigegeben und zum 1. Oktober 2019 mit Frau Da- niela Ruf besetzt. Mit der Arbeit mit Therapiehunden sowie durch die Un- terstützung und Begleitung von schwer kranken Menschen kommen weitere Aufgabenfelder hinzu. Kleiderladen Über viele Jahre war beim DRK-Kreis- verband eine sogenannte Kleiderkam- mer angesiedelt, die einmal wöchent- lich Secondhandkleidung an bedürftige Menschen ausgab. Mit dem Umzug der Biberacher Tafel in neue Räumlichkeiten in der Kolpingstraße 56 ergab sich die Möglichkeit, dieses Angebot auszuweiten und einen ehrenamtlich betriebenen Klei- derladen einzurichten, der auch eine Ein- kaufsmöglichkeit für jedermann bietet.

86 Therapiehunde Glücksmomente Hunde sind Begleiter der Menschen, gehen vorurteilslos auf Menschen zu. Mensch und Hund werden für die Auf- gabe als Therapiehunde beim DRK speziell ausgebildet. Danach werden sie in Seniorenzentren, Kindertages- stätten und Schulen eingesetzt. Sie schaffen Nähe, bauen Brücken, lösen Spannungen, bringen neue Blickwin- kel in den Alltag. An Demenz erkrank- te Menschen ebenso wie Menschen in ihrer letzten Lebensphase spüren die Ruhe und Wärme des Tieres, empfin- den Freude und Glück. Die einzelnen DRK-Kreisverbände haben die Wich- tigkeit erkannt und bauen Therapiehun- degruppen auf, so auch der DRK-Kreis- verband Biberach. Für manche Träume ist es nie zu spät und Glücksmomente zu schaffen, kann eine erfüllende Aufgabe sein. „Glücksmomen- te“ nennt sich eine Aktion des DRK-Kreis- verbandes Biberach. Initiatoren dieses Projektes waren Michael Mutschler und Peter Haug, derzeitige Geschäftsführer des DRK-Kreisverbandes Biberach. „Die DRK-Glücksmomente“ ermöglichen in einem speziell ausgerüsteten Fahrzeug schwerstkranken Menschen jeden Al- ters einen eventuell letzten Wunsch zu erfüllen. Das Begleitteam wird nach me- dizinischen Anforderungen des Fahrgas- tes, zusammengestellt. Ehrenamtliche schenken ihre Zeit, um Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleiten zu kön- nen. Durch die besondere Ausstattung kann die Fahrt sicher und angenehm ge- staltet werden.

Das DRK möchte dazu beitragen, den Tagen mehr Leben zu geben, wie es der Grundsatz von Cecily Saunders, der Ini- tiatorin der Palliativbewegung, war. Mitarbeiter des SAPV (spezielle ambulan- te Palliativversorgung) übernehmen die Ausbildung der ehrenamtlichen Helfer. 87 Außergewöhnliche Persönlichkeiten Georg Fischer, 1899–1980 Georg Fischer trat 1922 in das DRK Weingarten ein und war Gründungs- mitglied der dortigen Sanitätskolonne. Er war ab 1932 in Schussenried tä- tig, ebenso bei der Neugründung 1948 und ab jener Zeit auch Ausbilder dort. Georg Fischer war beim DRK und bei der Feuerwehr. Sein Hauptberuf war Krankenpflegelehrer im Zentrum für Psychiatrie Schussenried. Unzählige Kurse und eigene Ausbildungen zeich- neten ihn aus. Er setzte früh durch, dass ein Sanka in Schussenried sta- tioniert wurde. Neben der Ersten Hilfe war das Blutspenden sein besonderes Anliegen.

88 Essen auf Rädern und Hausnotruf Zu den Angeboten des Deutschen Ro- ten Kreuzes gehören im sozialen Be- reich auch das Essen auf Rädern und der Hausnotruf. Die Menschen werden älter, gebrechli- cher, sind mit einschränkenden Krank- heiten behaftet oder leben in Single- haushalten. Das soziale Leben hat sich verändert. Angehörige leben oft nicht mehr am selben Ort, Familien sind häu- figer kinderlos oder getrennt lebend, verschiedene persönliche und berufli- che Welten lassen die Versorgung der Elterngeneration schwierig werden. Andererseits ist es der Anspruch der älteren Generation, selbstbestimmt und unabhängig zu leben. Um dies zu errei- chen, bedarf es in zunehmendem Maße verschiedener Hilfen im Alltag. Hausnotruf und Essen auf Rädern sind wichtige Bestandteile dieses selbstbe- stimmten Lebens. Auch eine eventuell drohende Vereinsamung kann so abge- mildert werden. Es kann täglich eine war- me Mahlzeit geliefert werden, alternativ ist die Lieferung fertiger Mahlzeiten möglich, die im Mikrowellenherd oder im Backofen nur noch erwärmt werden müssen. Der Hausnotruf bietet eine Anbindung an ein Hilfesystem mit Ansprechpart- nern vor Ort und einer gesicherten Ver- sorgung im Notfall durch Rettungsdienst und Notarzt. Dazu gehören rasche Transportmöglichkeiten, Rücksprache mit Angehörigen und Pflegediensten in sehr kurzer Zeit, mit kurzen Wartezeiten und in kompetentem Maße. Essen auf Rädern und der Hausnotruf sind Eckpfeiler eines gesicherten All- tags. Somit können sich auch Angehöri- ge guten Gewissens auf die Forderung

Der Hausnotruf trägt wesentlich zur Unabhängigkeit bei... 89 ihrer hilfebedürftigen Eltern auf ein selbstbestimmtes und, so weit wie mög- lich, unabhängiges Leben einlassen. Doch wie funktionieren nun beide Systeme? Essen auf Rädern kann entweder täg- lich, als warmes Essen oder in größeren Abständen als Fertigmahlzeiten geliefert werden. Galten Fertigmahlzeiten noch vor eini- gen Jahren als verpönt, wird dieses An- gebot inzwischen längst als gute, auch anspruchsvolle Möglichkeit angenom- men, sich Mahlzeiten auszusuchen und frei, ohne festen Menüplan, den eigenen Speiseplan zu gestalten. Das DRK liefert die fertigen Speisen in Wochenpaketen zu je sieben Mahlzei- ten. Der Abnehmer ist frei in der Wahl der Essensmenge und den Zeitabstän- den. Diese Form der Essenslieferung bietet eine größere Unabhängigkeit als die tägliche Versorgung. Voraussetzung ist hierbei freilich, dass Empfänger das Essen noch selbst erwärmen können. Ein wichtiger Aspekt ist, dass die das Essen liefernde Person auch Ansprech- partner für den Empfänger ist. Essen auf Rädern startete am 15. Febru- ar 1985. Derzeit beziehen 29 Kunden ihre Mahlzeiten über dieses DRK-Angebot. Eine Spendenaktion des Wochenblattes ermöglichte 1985 den Start des Haus- notrufes. Angeboten wird er von vielen Organisa- tionen. Allen gemeinsam ist, dass eine Funkstation zu Hause und ein Sender am Körper des Patienten gebraucht werden. Der Sender am Körper wird im Notfall durch Knopfdruck aktiviert und an eine Annahmestelle, beim DRK die je-

werden, wird die Person aufgesucht, um gegebenenfalls weitere Schritte einzuleiten. Der Hausnotruf trägt wesentlich zur Un- abhängigkeit älterer oder kranker Men- schen bei. Die zunehmende Mobilität und das zunehmende Alter machen den Hausnotruf zu einem wichtigen Hilfsmit- tel. Dies beweist auch die große Zahl an Teilnehmern mit derzeit über tausend, mit deutlich zunehmender Tendenz. 90 weilige Leitstelle, vermittelt. Von dort aus ist rasche und kompetente Hilfe möglich. Die Reihenfolge der Anzurufenden kann individuell abgesprochen werden. Ein Hausschlüssel wird fast immer hinter- legt, da für das Auffinden in der Woh- nung und die rasche Hilfeleistung der Zugang zur Wohnung entscheidend ist. Das DRK garantiert die sichere Aufbe- wahrung der hinterlegten Schlüssel. Der Hausnotruf kann 24 Stunden, also rund um die Uhr, in Anspruch genom- men werden. Der Teilnehmer des Hausnotrufs meldet sich täglich zweimal bei der Leitstelle per Knopfdruck am Teilnehmergerät. Sollte diese Meldung 72 Stunden ausbleiben, erfolgt Rücksprache durch die Leitstelle, ein sogenannter Passivalarm. Sollte auch hierdurch keine Klarheit über den Zustand des Teilnehmers erreicht

Initiative des Stadtseniorenrats 91 Rotkreuzdose im Kühlschrank In vielen Notsituationen können Men- schen die Fragen der Rettungskräfte nicht mehr beantworten. Sind keine Angehörigen vor Ort, wird es oftmals schwierig, an teils lebenswichtige In- formationen zu gelangen. Abhilfe kann hier die Rotkreuzdose schaffen. Der DRK-Kreisverband hat diese Notfalldose auf Initiative der Stadtseniorenräte Mar- lene Goeth und Edmund Wiest konzi- piert und vertreibt die Rotkreuzdosen mittlerweise bundesweit. In diesen Dosen können im Vorfeld auf einem Datenblatt Gesundheitsdaten, Medikamentenpläne und Kontaktdaten von Hausarzt oder Pflegedienst hinter- legt werden. Auch Hinweise zu einer Pa- tientenverfügung oder Notfallkontakten können hinterlegt werden. Durch Hin- weisaufkleber an der Wohnungstür so- wie am Kühlschrank wird im Notfall den Helfern signalisiert, dass wichtige Infor- mationen hinterlegt sind und wo sie sich befinden. Da der Kühlschrank in nahezu jeder Wohneinheit problemlos zu finden ist, wird dort die Dose aufbewahrt.

94 Blutspenden „Blut ist ein besonderer Saft“, dieses Goethe-Zitat passt sehr gut zu Betrach- tungen über Blut, seine Eigenschaften und das Blutspenden. Historisch wird schon 1492 eine Blut- spende für den siechenden Papst In- nozenz VIII. urkundlich erwähnt. Doch wann immer Blut gespendet und über- tragen wurde in den nächsten Jahrhun- derten, war dies meist kein Erfolg. Erst nach der Entdeckung der Blutgrup- pen im Jahr 1901 durch den Pathologen, Hämatologen und Serologen Karl Land- steiner besserte sich die Prognose. Den- noch blieben Blutübertragungen lange Jahre ein aufwendiges Unternehmen. Spender und Empfänger mussten zu- sammengebracht werden. Die Trans- fusion erfolgte von Schlagader zu Schlagader, damit wurden Probleme mit der Blutgerinnung vermieden. Die Blutspende, wie wir sie heute ken- nen, existiert in dieser Form erst seit dem Zweiten Weltkrieg. Als Blutspende wird die Übertragung von Blut oder Blut- bestandteilen eines Menschen in den Kreislauf eines anderen definiert. Vor- aussetzung der Bluttransfusion ist die Gleichheit der Blutgruppe von Spender und Empfänger sowie die nachgewiese- ne serologische Verträglichkeit. Die Gründung der ersten Blutspende- dienste war 1962. Den größten Teil der Beschaffung des Blutes und dessen Weiterverarbeitung decken die Blut- spendedienste des DRK ab. Blutspende ist ab dem 18. Lebensjahr möglich, eine Altersgrenze gibt es nicht mehr. Der Katalog der Zulassungen und Einschränkungen ist groß. Vor jeder

Hilf, dann wird auch dir geholfen 95 Spende wird eine ärztliche Untersuchung durchgeführt, besondere Aufmerksam- keit gilt dabei möglichen Infektionen. spenden in ihren unterteilten Formen werden heute überwiegend für chro- nisch kranke Patienten gebraucht. Die Blutabnahmeteams sind mobile Teams, die jeden Tag an einem anderen Ort arbeiten. Die abgenommenen Blut- konserven kommen rasch zur Blutbank nach Ulm, wo sie weiterbearbeitet wer- den. Das Multitalent Blut besteht aus festen und flüssigen Anteilen mit vier Hauptei- genschaften: Sauerstofftransport, Ab- wehrregulation, Blutgerinnung und Wär- meregulation. In komplizierten Arbeitsgängen werden die verschiedenen Bestandteile getrennt und verarbeitet, um sie für den Erkrank- ten bestmöglich zu verwenden. Die Vollblutspende ist jedoch nicht mehr die alleinige Form der Blutspende. Blut- Die ehrenamtlichen Helfer sind bei der Blutspende sehr gefordert, ohne ihre Mithilfe sind solche Termine nicht durch- zuführen. Seit 1960 finden in den Bereitschaften des DRK-Kreisverbandes Blutspende- termine statt. Manche Bereitschaften haben monatliche Termine, andere in größeren Abständen. Vollblutspenden sind unentgeltlich, der Lohn dafür reicht vom „Vesper“ bis zum kalten Büfett. Eine Ehrung in bestimmten Abständen darf als Dank nicht fehlen. Die Bereitschaften bekommen für jede bei ihnen durchgeführte Spende Geld, was andere Anschaffungen dann wie- der möglich macht. Allerdings spüren die

96 Blutspendedienste und die Bereitschaf- ten den Wandel der Zeit. Bekam noch vor einigen Jahren der Arbeitnehmer, der sich beim Blutspenden engagierte, frei, so muss er heute für diese Tätigkeit Ur- laub nehmen. Selbst im ländlichen Raum gehen die Blutspenden zurück. Dadurch kommt es immer wieder zu Engpässen in den Kliniken, vor allem im Sommer und bei Hitze. Blut für längere Zeit zu konser- vieren, ist nicht möglich, da die Blutbe- standteile nur wenige Tage haltbar sind und sofort verbraucht werden müssen. Grundsätzlich gilt: Das DRK darf als gemein- nützige Gemeinschaft keine Gewinne erzielen. Ein ethischer Kodex regelt den Umgang zwischen Spendern und Empfängern, das Verhalten untereinander sowie den Umgang mit dem Blut. „Blut ist ein beson- derer Saft“, denn Blut ist noch immer nicht ersetzbar. Das DRK Riedlingen begann 1960 mit den Blutspenden. Der erste Termin er- brachte 160 Konserven. Überliefert ist die humorvolle Anekdote, Margarete Essig, genannt die „Essig-Mutter“, habe

97 damals die Wurst für das anschließende Vesper mit der Briefwaage abgewogen. Nicht der unmittelbar bevorstehende 40. Geburtstag und auch nicht der Anblick des Blutes ließ diese Spenderin einst erbleichen … Dr. Christa Enderle hatte bei einer Blut- spendeaktion in Riedlingen die Untersu- chungen gemacht. Am Ende des Tages waren 399 Blutkonserven zusammenge- kommen. Nur eine fehlte noch, um die 400 voll zu machen. Also spendete auch die Ärztin selbst noch. Dies bekam ihr aber gar nicht gut, ihr Kreislauf machte schlapp – und das ausgerechnet am Vorabend ih- res 40. Geburtstages. Als um Mitternacht laut singend die Freunde eintrafen, um sie hochleben zu lassen, musste erst einmal mit einem Gläschen Sekt der Kreislauf wieder in Schwung gebracht werden. Blut spenden durfte sie danach nicht mehr bei ihren DRK-Kollegen ...

98 Jugendrotkreuz, Schulsanitäts- dienst und Juniorhelfer Das Jugendrotkreuz, gegründet am 27. Mai 1925 in Berlin durch den DRK-Haupt- vorstand, ist der Jugendverband des Deut- schen Roten Kreuzes. Vorbild waren die Jugendrotkreuzorganisationen in den USA, in Kanada und einigen weitern europäi- schen Staaten. Die Jugendrotkreuzarbeit fand damals vorwiegend in Schulen statt. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Jugendrotkreuz durch die Hitlerjugend verdrängt. Ab 1947 wurde das Jugendrotkreuz – zunächst in der amerikanischen Besatzungszone (Bay- ern, Hessen, Württemberg-Baden und Bremen) – wieder aufgebaut. Der erste Neugründungsbeschluss nach dem Na- tionalsozialismus erfolgte in Bayern am 18. Oktober 1947. inzwi- Bundesweit engagieren sich schen über 113 000 Kinder, Jugend- liche und junge Erwachsene im Alter von sechs bis 27 Jahren ehrenamtlich in über 5500 Jugendgruppen. Jugend- rotkreuzler arbeiten nach den Grund- sätzen des Roten Kreuzes: Mensch- lichkeit, Unabhängigkeit, Neutralität, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität. 1971 wurde das Jugendrotkreuz im Kreisverband Biberach gegründet. Zunächst waren es 15 Kinder und Ju- gendliche, die sich im Kreisverband en- gagierten. Heute haben neun Ortsgrup- pen ein Jugendrotkreuz mit insgesamt 312 aktiven Kindern und Jugendlichen. Die einzelnen Jugendgruppen werden je nach Größe und Altersstufen von ein bis drei ausgebildeten Gruppenleiterin- nen und Gruppenleitern begleitet. Über der Gruppenleitung steht die Kreisju- gendleitung.

Löwen retten Leben 99 Aktueller Kreisjugendleiter ist Fabian Frick mit seinen Stellvertretern Tan- ja Daiber, Jessica Dolderer und Martin Steib. Hauptamtliche Unterstützung er- halten sie vom Koordinator für Schul- und Jugendarbeit, Manfred Rommel. Ein reger Austausch findet bei den re- gelmäßig stattfindenden Gruppenleiter- versammlungen und Kreisjugendleiter- sitzungen statt. Auch ein vielfältiges Angebot an Fortbildungen auf Landes- ebene steht den Gruppenleiterinnen und Gruppenleitern sowie der Kreisjugend- leitung zur Verfügung. Die Gruppen können ihre Kenntnisse im jährlich stattfindenden Jugendrot- kreuz-Kreiswettbewerb unter Beweis stellen. Natürlich wird im Jugendrot- kreuz noch viel mehr gemacht. Die Ver- mittlung von sozialem Engagement, die Unterstützung der Kampagnen des Ro- ten Kreuzes und das damit verbundene Aufmerksammachen auf Missstände, die Unterstützung der Bereitschaft, bei- spielsweise bei Blutspendeterminen, um nur einige zu nennen. Aktionen wie Ausflüge und Zeltlager dürfen natürlich nicht fehlen. Basis der Gruppenstunden, die in aller Regel wöchentlich stattfinden, ist es, die Erste Hilfe mit Spiel und Spaß zu lernen. Dabei darf auch das Schminken von Verletzungen und Wunden nicht fehlen. Eigens dafür gibt es beim Ortsverband Biberach eine Gruppe für realistische Notfalldarstellung (RND), die ebenfalls dem Jugendrotkreuz unterstellt ist. Dem Jugendrotkreuz ist zudem der Schulsanitätsdienst unterstellt. Dem Kreisverband ist dieser wachsende Bereich zur Nachwuchsförderung von passiven und aktiven Mitgliedern und die damit verbundene Plattform zur Vorstellung des DRK wichtig. Deshalb wurde erstmalig in der Geschichte des Kreisverbandes im April 2015 ei-

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100 gens eine hauptamtliche Kraft zu 50 Prozent eingestellt. gramm auf der Landesschule in Pfalz- grafenweiler. Außerdem nehmen die Lehrkräfte an kreisinternen Fortbildun- gen teil. Die Schulsanitäter werden dann zu qualifizierten Ersthelfern ausgebildet und fortlaufend weitergebildet. Das Aufgabenfeld der qualifizierten Erst- helfer ist umfangreich. Sie versorgen und betreuen verletzte und erkrankte Schüler, kümmern sich selbstständig um das Sanitätsmaterial, organisieren den Dienst in der großen Pause, bei Schul- festen und Ausflügen. Dabei überneh- men sie Verantwortung und entwickeln ein Gespür für mögliche Gefahren. Manfred Rommel betreut 32 Schulsa- nitätsdienst- und Juniorhelfergruppen. Über 350 Schüler und Schülerinnen sind in diesen Gruppen organisiert. Im Schulsanitätsdienst qualifiziert sich eine Lehrkraft mit Unterstützung durch den DRK-Kreisverband im Erste-Hilfe-Pro- Das Juniorhelferprogramm steht unter der Schirmherrschaft des Kultusminis- teriums. Hier lernen bereits die Grund- schüler kindgerecht die Elemente der Ersten Hilfe. Die Lehrkräfte werden seit 2016 erstmalig kreisintern geschult. Re- gelmäßige Aktionen finden in Zusam-

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101 menarbeit mit dem DRK in den Schulen statt, beispielsweise im Rahmen der lan- desweiten Aktion „Löwen retten Leben – Wiederbelebung macht Schule“. Bei die- sem Programm qualifizieren sich Lehrer von weiterführenden Schulen in der vereinfachten Reanimation (Prüfen-Ru- fen-Drücken), damit sie ihr Können und Wissen an Schüler und Schülerinnen weitergeben können. Zu allen Schulen wird ein enger Kontakt gepflegt und es findet ein reger Aus- tausch statt, etwa beim jährlich stattfin- denden Runden Tisch Schularbeit. So- mit kann getrost gesagt werden: „Das DRK, das Plus (+) an der Schule.“ Neu ist die Zusammenarbeit mit Kinder- gärten. Diverse Kindergärten werden über das Jahr besucht. Frei nach dem Motto: „Keiner ist zu klein, ein Helfer zu sein!“

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102 Der Weg zum DRK Jeder, der den Führerschein macht, muss einen Kurs für Sofortmaßnahmen am Unfallort machen. Dieser Kurs ver- pflichtet und macht fähig, im Notfall ei- nem verletzten oder hilflosen Menschen beizustehen. Die professionelle Hilfe am Unfallort be- eindruckt und hinterlässt vielleicht den Wunsch, dies auch zu erlernen. Beim trifft man wieder Men- Blutspenden schen, die für andere da sind. Eine sehr große Rolle spielt zudem das Jugend- rotkreuz, die Arbeit in den Schulen, mit der Ausbildung der Schulsanitäter, ein frühes, spielerisches Lernen vom Um- gang miteinander, von Menschlichkeit, gepaart mit Lernen von Erster Hilfe und Verhalten am Unfallort. Das Jugend- rotkreuz kann ein Sprungbrett sein zur aktiven Bereitschaft und zum Rettungs- dienst. Das DRK wünscht sich solche aktiven Menschen, die sich für lange Zeit und in vielen Positionen einbringen möchten. Doch auch beim DRK gehen die Mitglie- derzahlen wie in vielen anderen Verei- nen zurück. In der gesamten Vereinsarbeit scheint sich ein Wandel zu vollziehen, der bedeu- tet, dass Mitglieder nicht mehr über Jah- re oder gar Jahrzehnte hinweg zugehörig bleiben. Durch Wegzug, Schulwechsel, Ausbildungsveränderungen Mitglieder zu verlieren, ist ein normaler, aber ein schmerzlicher Prozess. Die Bereitschaf- ten haben in Ausbildung und Schulung meist viel Kraft und Energie gesteckt. Das DRK bietet viele Möglichkeiten, sich zu engagieren und heißt Interessierte herzlich willkommen.

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103 Am Rande ... Wo Menschen arbeiten, sich einbringen und wieder mit Menschen zu tun haben, entstehen Interaktionen, Erinnerungen, Diskussionen. Humorvolle, bewegen- de, traurige und freudige Ereignisse ge- schehen, tradieren sich oft über lange Zeit. Auf manchem Fest ist der Spruch „Weißt du noch?“ gegenwärtig. Einige Erinnerungen, exemplarisch für ihre Zeit, die Arbeit und die Menschen, sind hier zusammengefasst. Der Wan- del der Zeit ist darin gut zu erkennen. Vor der Gründung der Rettungswachen und des organisierten Rettungsdiens- tes nahm der diensthabende Sanitäter das Krankenauto mit nach Hause. Für einen Beifahrer musste er meist selbst sorgen. Verständigung erfolgte über das normale Telefon, nicht selten auch über Zuruf über den Gartenzaun. Am nächs- ten Tag wurde der Krankenwagen dann weitergegeben. Dass es hier ein fristge- naues Ausrücken nicht geben konnte, braucht nicht extra erwähnt zu werden. Körperliche Anstrengungen gehörten zu den Einsätzen, Unfälle im Dienst traten leider auch auf. Kleine Reparaturen an den Autos wurden selbstständig ausge- führt. So berichtete Peter Früh über einen Rettungseinsatz auf einer morschen Treppe: Der Patient lag auf der Trage, eine Stufe brach, beide, Sanitäter und Patient, rutschten ab, verhakten sich in der morschen Treppenstufe – passiert sei glücklicherweise keinem etwas. Es gab aber auch „Lausbubenstreiche“. Man musste ja auch nachts ausrücken. Dabei wird nicht mit Sondersignal gefah- ren, jedoch berichten manche rückbli-

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104 ckend mit diebischer Freude, wie plötz- lich das Signal bei der Durchfahrt durch das Zwiefalter Tor in Riedlingen laut tutete. Ob es sich wohl um eine techni- sche Störung handelte? Die Augen der Erzählenden lachten bei diesen Erinne- rungen immer noch. Oder: Was ist langsamer als ein „Trab- bi“? Die Antwort: ein Rettungswagen aus den 70er-Jahren. Nachweislich wur- de ein solcher nämlich von einem „Trab- bi“ an der Zwiefalter Steige überholt. Über das langjährige Mitglied Albert Rettich gibt es ebenfalls humorige Ge- schichten. Albert Rettich war Vermessungstechni- ker beim Straßenbauamt in Riedlingen, freundlich, still, als Fahrer beim DRK war er eher zurückhaltend – was die jungen DRKler bisweilen Nerven kos- tete. Doch Albert Rettich meinte nur: „Ich kann doch nicht schnell fahren, das schüttelt den Patienten zu sehr.“ Nett auch diese Erinnerung: Albert Ret- tich sollte ein neues DRK-Auto fahren, von der Garage abwärts Richtung Stadt. Er fuhr wohl im dritten Gang den Berg hinunter, der Motor stockte, doch er lief weiter: Sein Kommentar: „Der hot an elastischs Motörle.“ Außergewöhnliche Persönlichkeiten Fritz Dobler, 1923–2006 Fritz Dobler war Ersthelferausbilder, Schiedsrichter bei Übungen, Fahrer im Rettungsdienst, Leitstellenmitarbeiter und unermüdlich für das DRK tätig. Er wurde mit der Ehrenmedaille des DRK ausgezeichnet und war unter anderem auch bekannt für besondere Aussprü- che wie etwa: „Anfang und Ende sind beim DRK freiwillig, der Rest ist Pflicht.“

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106 Einmal DRK, immer DRK Als im Jahre 2010 die Arbeit der Pro- jektgruppe „Chronik“ begann, wusste noch keiner der Beteiligten, wohin der Weg führen würde. Erstes Ziel war es, Vergangenes nicht verschwinden zu las- sen, Arbeit zu bewahren, Entwicklungen zu begleiten. Im Vordergrund stand und steht immer der Mensch, der sich für die Sache des Roten Kreuzes einsetzt, Zeit, Urlaub, Arbeitstage, Gesundheit und selbst sein Leben einsetzt, zum Wohle des Nächsten. Meist ist es eine „leise“ Arbeit, die diese Helferinnen und Helfer verrichten. Diesen Menschen und ihrer Arbeit ein Denkmal zu setzen, war der tiefste Grund, sich mit der Arbeit vom Anfang des Roten Kreuzes in unserer Umgebung zu befassen. Wertschätzung sollte dem Einzelnen, seiner Bereitschaft und dem Kreisverband, allen Gliederun- gen des Roten Kreuzes zukommen. Alle technischen Veränderungen, Verände- rungen der Behandlungsweisen, Ent- wicklung der Fahrzeuge, des gesamten Materials sind bei der Beschreibung des Rettungsdienstes, des Katastrophen- schutzes gut nachvollziehbar. Die Fotos tun das Ihre dazu. Außergewöhnliche Persönlichkeiten Franz App, geboren 1937 Franz App war die große Führungsper- sönlichkeit der 70er- bis 90er-Jahre in Riedlingen, zuerst als Bereitschaftslei- ter, später als Ortsvereinsvorsitzender. Als Verwaltungsmensch plante er die Geschicke der Bereitschaft und des Orts- vereins Riedlingen mit großer Umsicht. Neben seinen vielen Tätigkeiten sei er- wähnt, dass er in seiner Weitsicht die erste Schnelleinsatzgruppe gründete.

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107 Viele der Bilder lassen uns schmunzeln, Erinnerungen werden wach. Dieses Buch soll aber auch den Versuch wa- gen, in die Zukunft zu schauen. „Quo vadis“, DRK? Der Datenfluss war von unterschied- licher Intensität. Dieses Sichten und Sammeln von Daten schlossen wir Ende 2017 ab. Oft war es recht erstaunlich, was aus den Schränken und Ecken der Bereit- schaften hervorkam. Viele persönliche Gespräche halfen, Lücken zu schließen. Mancher alte und neue Kontakt wurde geknüpft oder wieder aufgefrischt. Auch dafür danke ich allen, die sich mit ihren Erfahrungen und Erinnerungen ein- brachten. Immer wieder wurde deutlich: Die Arbeit war und ist selbstverständlich für den Mitmenschen, im Sinne des Roten Kreu- zes und seiner Grundsätze. Ein schönes Erlebnis am Rande eines dieser Ge- spräche war deshalb der Satz: „Einmal DRK, immer DRK.“ Die Besetzung der Gruppe war wech- selnd. Alexander Enderle starb nach län- gerer Erkrankung. Ben Hopp und Clau- dia Steinhilber schieden aus zeitlichen Gründen aus. Ulli Gapp kam hinzu. Die Leitung blieb bei mir, Christa Enderle. Mein Dank und meine Wertschätzung gelten all denen, die Unterlagen brach- ten, Geschichten erzählten, altes Ma- terial zeigten, sich mit uns allen freuten über das Erreichte, sich erinnerten. An meiner Seite stand als redaktionel- le Mitarbeiterin, als gute Freundin, aber auch korrigierend, Gabi Ruf-Sprenger, selbstständige Redakteurin. Manches gerade zu stellen, wenn ich mal wieder den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr

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108 sah, war mit ihrem humorvollen Eingrei- fen dann geschafft. Mein Dank gilt weiter dem Kreisverband Biberach für die großzügige Unterstüt- zung dieses Projekts. An erster Stelle möchte ich hier unseren Geschäftsfüh- rer Peter Haug nennen. Am Ende einer langen gemeinsamen Wegstrecke steht nun dieses Buch. Zum Schluss ein Zitat eines für mich ebenfalls wegweisenden Menschen, Lord Robert Baden-Powell, dem Grün- der der Pfadfinderbewegung: „Doch der wahre Weg, Glück zu erlan- gen, besteht darin, andere Menschen glücklich zu machen. Versucht die Welt ein bisschen besser zurückzulassen als ihr sie vorgefunden habt.“ Dies könnte auch für unsere Rotkreuzar- beit stehen.

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Quellennachweis: 1. Elke Endrass, Der Wohltäter, Wichern-Verlag 2010 2. Stefan Schomann, Im Zeichen der Menschlichkeit, DVA 2013 3. Dieter Riesenberger, Für Hu- manität in Krieg und Frieden, Vandenhoeck und Rupprecht, Göttingen 1992 4. Dieter Riesenberger, Das Deut- sche Rote Kreuz, Schönigh-Ver- lag Paderborn 2002 5. Miriam Eberhard, Die Unentweg- ten – Eine Familiengeschichte, Klöpfer und Mayer 2010,Tübingen 6. Archiv der Stadt Riedlingen 7. „Aus großer Zeit“, Tagebuch der Lili Brand, 1914–1916, in Privat- besitz Reinhard Meis, Wuppertal 8. Begleitbuch des Lazarettzuges H, 1914–1916, Privatbesitz Rein- hard Meis, Wuppertal 9. Schwäbische Zeitung, Gabi Ruf-Sprenger 10. Schwäbische Zeitung, Kerstin Schöllhorn 111 11. Zeitungsauschnitte 1914–1918 12. Dempfer Robert, Das Rote Kreuz – Von Helden im Ram- penlicht und diskreten Helfern, Deuticke im Paul Zolsnay Verlag, Wien 2009. 13. Dr. Peter Mißmahl, Familienge- schichte, Eigenverlag 14. Charlotte Mayenberger, Moritz Vierfelder, Leben und Schicksal eines Buchauer Juden, Feder- see-Verlag 2000 15. Das Tagebuch der Hertha Na- thorff, herausgegeben von Wolf- gang Benz, Fischer-Verlag 1987, 16. Wolfgang Benz, Hertha Nathorff, Biberacher Heimatblätter 2013/2 17. Herbert Angstmann, Laupheim, Rede zum 100-jährigen Jubiläum 18. Tillmann Bendikowski, Helfen – Warum wir für andere da sind, Bertelsmann, 2016 19. Anton Föhr, 25 Jahre im Roten Kreuz, Eigendruck 1997 Archiv der Stadt Biberach DRK-Generalsekretariat Berlin

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112 Die Ursprünge Unter dem Eindruck der Genfer Konfe- renz vom Oktober 1863 entsteht am 12. November 1863 im Königreich Württem- berg der Württembergische Sanitätsver- ein. Es ist die erste nationale Rotkreuz- gesellschaft weltweit und auf deutschem Boden. Nicht nur die Männer, sondern vor allem auch die Frauen organisieren sich unter dem Zeichen des Roten Kreuzes. Als direkte Reaktion auf den Krieg in Italien wird schon 1859 in Karlsruhe der Badi- sche Frauenverein ins Leben gerufen. Seine Aufgabe sieht er darin, die Folgen von Kriegen lindern zu helfen und Kran- kenpflegerinnen auszubilden. Dieser Verein zählt zu den unmittelbaren Vor- läufern des Roten Kreuzes in Deutsch- land, dem er sich dann 1866 angliedert. Erster Weltkrieg und Weimarer Republik Der Erste Weltkrieg wird zur großen Be- währungsprobe für das Rote Kreuz in Deutschland. Mit mehr als einer Million Mitgliedern zu Beginn des Krieges ver- folgt die Organisation eine Vielzahl von Aufgaben, bis hin zur Flüchtlingsbetreu- ung; der Suchdienst des Roten Kreuzes entsteht. Nach dem Krieg erstreckt das Rote Kreuz seine Tätigkeit bewusst und noch stärker auf die Friedenszeit, weg von der Vorbereitung und Umsetzung von Hilfs- maßnahmen im Kriegsfall. In Deutsch- land entwickelt sich das DRK, das am 25. Januar 1921 aus dem Zusammen- schluss der bisher bestehenden Lan- desvereine gebildet wurde, zu einem Spitzenverband der Freien Wohlfahrts- pflege. Ausdruck dieser Neuorientierung ist auch die Gründung des Jugendrot- kreuzes (JRK), der Jugendorganisation im Roten Kreuz, am 27. Mai 1925. NS-Zeit Das Hitlerregime schraubt jene Ent- wicklung zurück. Es erwartet vom DRK lediglich die Unterstützung des Heeres- sanitätsdienstes bei einer deutschen Mo- bilmachung. Das DRK wird schrittweise gleichgeschaltet und in das NS-System eingebunden, die Führungsspitze von Funktionären der SA und später der SS besetzt. Mit dem DRK-Gesetz vom Dezember 1937 werden die Gliederungen des DRK aufgehoben und das „Führerprinzip“ ein- geführt. Das DRK verliert alle Wohlfahrts - einrichtungen, das JRK wird aufgelöst. Im Zweiten Weltkrieg sind über 600 000 DRK-Kräfte im Einsatz, vor allem Frau- en. Ihre Aufgaben sind die Verwunde-

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Die „Streiflichter der Rotkreuzarbeit im Landkreis Biberach“ von Dr. Chris- ta Enderle fassen die Gründung der DRK-Bereitschaften, deren Aufgaben und Entwicklung zusammen. Viele der von Dr. Christa Enderle recherchierten Informationen stammen von Zeitzeu- gen und aus Sitzungsprotokollen. Eine DRK-Chronik für den Landkreis Biber- ach, in der die Ereignisse in zeitlich ge- nauer Reihenfolge dargestellt sind, ist aufgrund fehlender Belege jedoch nicht möglich. 113 tenhilfe, die Fürsorge für Kriegsgefange- ne, die Betreuung von Umsiedlern und Flüchtlingen sowie von Soldaten. Entwicklung bis zur Gegenwart Im September 1945 wird das DRK we- gen seiner Einbindung in das NS-Re- gime von den Besatzungsmächten Eng- land, Frankreich, USA und Russland aufgelöst. In Anbetracht von Not und Elend der Nachkriegsjahre setzen den- noch viele Helfer die Rotkreuzarbeit fort. Es kommt zur Reorganisation des Ro- ten Kreuzes auf regionaler Ebene. Am 4. Februar 1950 wird das DRK in der Bun- desrepublik und am 23. Oktober 1952 in der DDR gegründet; beide Rotkreuz- organisationen werden daraufhin vom IKRK anerkannt. Am 9. November 1990 erklären die sechs aus dem DRK der DDR neuge- bildeten Landesverbände ihren Beitritt zum Deutschen Roten Kreuz zum 1. Januar 1991. Gemäß seiner neuen Sat- zung vom 11. November 1993 ist das DRK anerkannte nationale Rotkreuzge- sellschaft der Bundesrepublik Deutsch- land und anerkannter Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege. (Generalsekretariat des DRK )